Ausgabe 4

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Ausgabe 4/2019

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Ulrike Spangenberg

Steuern und Geschlechtergerechtigkeit: (An)Forderungen aus Europa

I Einleitung:
Gleichstellung der Geschlechter und Steuerpolitik in der EU

Das Europäische Parlament hat im Januar 2019 eine Entschließung mit dem Titel „Gleichstellung der Geschlechter und Steuerpolitik in der EU“ verabschiedet. Diese Entschließung ist aus zwei Gründen erstaunlich. Erstens werden Steuern und Geschlechterverhältnisse selten zusammengedacht. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für die europäische Ebene. Bislang konzentrierte sich die Kritik der EU auf die hohe Steuer- und Abgabenbelastung von Zweitverdienenden in Mitgliedstaaten, die Ehen ganz oder teilweise gemeinsam besteuern. Die daraus resultierenden Erwerbshürden für Frauen widersprechen den wirtschaftspolitischen Zielen der EU und werden deshalb seit einigen Jahren im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters angemahnt. Darüber hinausgehende Aspekte, etwa die be- oder entlastenden finanziellen Auswirkungen von Steuerreformen auf das Nettoeinkommen von Frauen und Männern, sind selten.
Zweitens gehört die Steuerpolitik zu den Sachgebieten, in denen die EU nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten
und vor allem kaum Gesetzgebungskompetenzen hat.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss mit Anmerkung OLG Hamm, § 218 StGB, §§ 630d, 1626 BGB

Einwilligungsfähigkeit einer Minderjährigen in eine Abtreibung

1. Eine Minderjährige bedarf zum Schwangerschaftsabbruch nicht der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, wenn sie einwilligungsfähig ist, also nach ihrer geistigen und sittlichen Reife die Tragweite dieses Eingriffs erfassen und ihren Willen hiernach ausrichten kann.
2. An die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit der Minderjährigen durch den behandelnden Arzt sind hohe Anforderungen zu stellen. Die Fähigkeit muss sich sowohl auf den medizinischen Eingriff als auch die Rechtsgüterabwägung beziehen. Zudem muss die Minderjährige auch die Reife zur Bewertung des Eingriffs in Hinblick auf die möglichen psychischen Belastungen aufweisen.
Beschluss des OLG Hamm vom 29.11.2019, II-12 UF 236/19, 12 UF 236/19

Aus den Gründen:
I.
Die 16-jährige Antragstellerin möchte einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Sie lebt seit der Trennung ihrer Eltern im Jahr 2007 im Haushalt ihrer Mutter. Die Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht. Die Antragstellerin besucht die 10. Klasse einer Sekundarschule. Seit Sommer dieses Jahres ist sie mit dem 19-jährigen J zusammen.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss BGH, §§ 1671, 1696 Abs.1, 1697a BGB

Keine Abänderung der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts

Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen.
Beschluss des BGH vom 27.11.2019 – XII ZB 511/18

Aus den Gründen:
I. Die beteiligten Eltern streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre drei gemeinsamen Kinder.
Die Eltern schlossen im Januar 2005 die Ehe.
Aus der Ehe stammen der 2008 geborene Sohn K-D. sowie die 2009 geborenen Zwillinge M.D. und L-M. Der 1960 geborene Kindesvater ist Bürokaufmann. Er hat aus einer früheren Beziehung ein weiteres, bereits erwachsenes Kind.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss HansOLG, § 1565 BGB

Härtefallscheidung bei Gewalt zwecks Aufrechterhaltung der Ehe

Ein von Gewaltanwendungen und Drohungen begleiteter Druck des Ehemanns zur Aufrechterhaltung der Ehe macht es der Ehefrau unzumutbar, das Trennungsjahr abzuwarten.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des Hanseatischen OLG vom 03.06.2019 – 2 UF 13/19

Zum Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ehe zu scheiden ist. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist bereits seit dem 1.12.2014 rechtshängig. Ab Juli 2015 haben die Beteiligten einen Versöhnungsversuch unternommen. Mit Schriftsatz vom 6.6.2018 bat die Antragstellerin um Fortsetzung des Verfahrens. Der Zeitpunkt der Trennung der Eheleute ist ebenso streitig wie ihr Vorbringen zu den Gründen für eine eventuelle Härtefallscheidung.

Preis: 3.00 EUR

Urteil BAG, § 17 BEEG

Elternzeit – keine automatische Kürzung des Urlaubsanspruchs

1. Urlaub, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt werden kann, verfällt während der Elternzeit nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums.
2. Die Kürzung des Urlaubs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG führt zu einer Anpassung der Urlaubsdauer an die während der Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht. Sie ist damit Ausdruck des im gesamten Urlaubsrecht anwendbaren allgemeinen Rechtsgedankens, dass der Umfang des Erholungsurlaubs während des Urlaubsjahres zur bestehenden Arbeitspflicht ins Verhältnis zu setzen ist. Bei diesem Verständnis steht § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG im Einklang mit dem Unionsrecht.

Preis: 3.00 EUR

Urteil LAG Hamm, TVöD-VKA § 12

Eingruppierung einer kommunalen Reinigungskraft in Schule

1. Die Tätigkeit einer Reinigungskraft stellt einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar, bei dem alle Arbeitsschritte dem einzigen Arbeitsergebnis der Reinigung der schuleigenen Räumlichkeiten dienen.
2. Es genügt für die Annahme der Entgeltgruppe 2 der Entgeltordnung zum TVöD-VKA-NRW („für die Reinigung von Gebäuden mit besonderen Anforderungen durch den laufenden Betrieb der Einrichtung [in Zeiten des Publikumsverkehrs oder der Öffnungszeiten/ Bürozeiten]…“) ein ausreichend gewichtiger Umfang der Reinigungstätigkeit während des laufenden Einrichtungsbetriebs, der nicht die Hälfte der Tätigkeit ausmachen muss (hier bestätigt für 7 von 23,48 Wochenstunden).
3. Bereits die Reinigung im laufenden Betrieb der Einrichtung begründet die besonderen Anforderungen, ohne dass darüber hinaus noch konkrete Erschwerungen hinzukommen müssen.
(Leitsätze der Redaktion)
LAG Hamm, Urteil vom 18.04.2019, 17 Sa 1158/18

Preis: 3.00 EUR

Beschluss SG Dresden, § 19 SGB II, § 16 Abs. 5 AufenthG, § 86b Abs. 2 S. 2 SGG

Vorläufige SGB II-Leistungen für an Krebs erkrankte Irakerin ohne Krankenversicherungsschutz

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 01.11.2019 bis zum 10.01.2020 – längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 424,00 € monatlich zu zahlen.
2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
3. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, über keine ausreichenden Mittel zu verfügen, um ihren notwendigen Lebensunterhalt nebst der Kosten der Krankenhausbehandlung bestreiten zu können.
4. Eine jederzeit mögliche Ausreise in den Irak und die Aufnahme einer Behandlung im Heimatland ist nicht zumutbar, da die bereits begonnene Krebstherapie nach den vorliegenden Unterlagen der Uniklinik D unmittelbar und unterbrechungsfrei durchgeführt werden muss, um der Antragstellerin eine Chance auf Heilung zu eröffnen.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des SG Dresden vom 28.10.2019, S 29 AS 3154/19 ER

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Urteil VG Münster, §§ 3, 3a, 3b, 3c AsylG, §§ 3, 4 AsylVfG

Geschlechtsspezifische Verfolgung für alleinstehende Irakerin

Alleinstehenden Frauen, die keine schutzbereiten männlichen Familienangehörige im Irak haben, droht landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geschlechtsspezifische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, ohne dass der irakische Staat oder andere Organisationen sie schützen könnten.
(Leitsatz der Redaktion)
Urteil des VG Münster vom 2.10.2018 – 6a K 5132/16.A

Zum Sachverhalt:
Die am … in Faida im Irak geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und jesidischen Glaubens. Sie reiste eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit ihrem Ehemann […] am 28. Juli 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … einen Asylantrag, beschränkt auf die Gewährung internationalen
Schutzes.

Preis: 3.00 EUR

Urteil VG Aachen, §§ 3 Abs1, 3a bis 3e AsylG, § 3 AsylVfG, Richtlinie 2011/95/EU

Flüchtlingseigenschaft für verwitwete Irakerin

Einer alleinstehenden, verwitweten Frau aus Bagdad, die an westlichen Werten orientiert ist, ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
(Leitsatz der Redaktion)
Urteil des VG Aachen vom 3.5.2019 – 4 K 3092/17.A

Zum Sachverhalt:
Die ihren Angaben zufolge am 24. Oktober 1974 in Arbil, Irak geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige, kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Sie ist verwitwet. Sie verließ den Irak eigenen Angaben zufolge am 6. Oktober 2015 über die Türkei. Zuletzt wohnhaft war sie im Irak in Bagdad, Stadtteil Al Ameriya.
Am 23. Oktober 2015 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. November 2015 bei der Bezirksregierung Arnsberg, Außenstelle Münster ein formloses Asylgesuch. […]

Preis: 3.00 EUR

Juliane Fett, Sophie Henckmann, Hanna Mandel, Pia Storf, Charlotte Thanhäuser, Patricia Trapp

Die „Büchse“ der feministischen Rechtswissenschaft – Passaus die Juristinnen* im Portrait

Je prominenter „der“ Feminismus im gesellschaftlichen Kontext verhandelt wird, desto überzeugter erscheint die rechtswissenschaftliche Lehre, dass das geltende Recht schon zur Gleichstellung der Geschlechter ausreicht. Immerhin lernen Student*innen der Rechtswissenschaft bereits in Staatsrecht II  „Mann und Frau sind gleichberechtigt“. Wer im dritten Semester die faktische Wirkung des Gleichheitssatzes noch anzweifelt, wird in der Familienrechtsvorlesung erleichtert zur Kenntnis nehmen, dass die Reformen 19581 und 19772 die Frau auch zivilrechtlich dem Mann gleichgestellt haben. Und es gibt ja auch noch das AGG. Das ist allerdings auch schon alles an Gleichstellung, was das „normale“ Rechtswissenschaftsstudium thematisiert.

Die Entdeckung feministischer Rechtswissenschaft gleicht daher der Öffnung der Büchse der Pandora; je mehr wir uns mit marginalisierten und unterdrückten Perspektiven beschäftigen, umso wirkungsloser erscheint das Recht in seiner jetzigen3 Form und desto machtvoller als Instrument für eine gleichberechtigte, freie Gesellschaft.

Preis: 3.00 EUR

Juliane Ottmann

Gender in der juristischen Ausbildung – Bericht vom Workshop beim 45. Feministischen Juristinnentag 2019 in Freiburg

In dem Workshop „Genderaspekte in der juristischen Ausbildung“ ging es um zwei zentrale Fragen: Was lernen wir in der juristischen Ausbildung über das Recht? Wie lernen wir das Recht und vom wem lernen wir es?
Ziel des Workshops war es, den thematischen Rahmen dafür zu bieten, dass die Teilnehmerinnen* ihr Wissen austauschen und von ihren Erfahrungen in den verschiedenen Abschnitten der juristischen Ausbildung berichten. Die Diskussion wurde durch drei Themenblöcke strukturiert: Studium, Referendariat und Vernetzung.

Studium
Die Teilnehmerinnen* fanden es besonders wichtig, dass im Jurastudium eine gendergerechte Sprache verwendet und akzeptiert wird. Das ist bis heute nicht die Regel. Sinnvolle Maßnahmen können Handbücher und Leitfäden sein, wie es sie an einigen Universitäten bereits gibt (z.B. an der Humboldt-Universität zu Berlin).

Preis: 3.00 EUR

46. Feministischer Juristinnentag 08. – 10. Mai 2020 in Leipzig

Campus Sportwissenschaften, Jahnallee 59

Freitag 08. Mai
15.00 – 16.15 Uhr:
Einführung in den FJT für Neueinsteiger*innen
RAin Heike von Malottki, Landshut, RAin Anke Stelkens, München
Die Geschichte und Struktur des FJT wird vorgestellt.

16.30 – 18 Uhr:
Einführung: Feministische Debatten im FJT
Selma Gather, FU Berlin, RAin Ronska Grimm, Berlin, Doris Liebscher, HU Berlin
Einführung in feministische Rechtstheorie und -politik, wie sie bei den FJTs z.T. kontrovers diskutiert wurden.

19.00 Uhr:
Eröffnungsveranstaltung: Feministische Visionen und Politiken in Ost und West
Ute Gerhard, Bremen, Ulrike Lembke, HU Berlin, Gabi Zekina, Berlin
Moderation: Zita Küng, Zürich

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VAMV e.V. Bundesverband

Eckpunktepapier für eine Reform des Kindesunterhaltsrechts

Der VAMV e.V. sieht „die Gefahr, dass das Wechselmodell als Leitmodell über die Hintertür eines neuen Kindesunterhaltsrechts eingeführt wird, nämlich dann, wenn es als Unterhaltssparmodell für die derzeitigen Unterhaltsverpflichteten ausgestaltet wird.“
In der mit vielen Nachweisen versehenen ausführlichen Stellungnahme wird die Rechtsprechung des BGH zum Unterhalt beim Wechselmodell als unfaire Benachteiligung der großen Mehrheit der Mütter kritisiert, die bei bestehender Ehe beruflich zurückgesteckt haben, um das Kind zu betreuen. Hervorgehoben wird die ohnehin unzureichende Bedarfsdeckung durch die Düsseldorfer Tabelle und die ungerechten Effekte der Anrechnung erhöhter Wohnkosten und des Kindergeldes bei der Berechnung der Zahlbeträge.

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