Der Diskurs um Familie und soziale Gerechtigkeit wird derzeit verfassungsrechtlich auf zwei verschiedenen Bereichen geführt: einerseits fiskalisch über die Höhe von Kindergeld und Steuer, andererseits sozialversicherungsrechtlich über die Modalitäten von Pflegeversicherung und Rente. Da sozialversicherungsrechtliche und steuerfinanzierte Lösungen oft als alternative Ansätze für einen Familienlastenausgleich diskutiert werden und die Position des Bundesverfassungsgerichts zum gesellschaftlichen Stellenwert von Familie und zu Aspekten sozialer Gerechtigkeit erst in einer Gesamtschau dieser Entscheidungen wirklich erkennbar wird, werde ich die Hauptstreitpunkte aus beiden Feldern skizzieren. Bei den Schlussfolgerungen und Konsequenzen werde ich mich dann allerdings vor allem auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur sozialen Sicherung konzentrieren.
1. Türkische Staatsangehörige mit Arbeitnehmereigenschaft und ihre Familienangehörigen werden von der Gleichbehandlungrvorschrift des Art. 3 i. V.m. Art. 2 des ARE 3/80 auch dann erfaßt, wenn sie nicht in der Gemeinschaft gewandert sind und/oder ihren erlaubten Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat - hier Deutschland - auf ein erfolgreiches Asylverfahren zurückführen.
2. Als Familienleistung i.S. v. Art. 4 ARE 3/80 gelten sowohl Landes- wie Bundeserziehungsgeld, auch Kindergeld, auch wenn diese Sozialleistungen bei den Berechtigten keine Arbeitnehmereigenschaft in der nationalen Anspruchsvoraussetzung vorsehen.
Urt. d. BVerwG vom 6.12.01 - 3 C 25.01 -
Knüpfen tarifliche Leistungen - hier Urlaubsgeld in irgendeiner Weise an tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen an, ist der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld wegen des europarechtlichen Verbots der Frauendiskriminierung als anspruchsverschaffender Lohnersatzan zusehen.
Urteil des LAG Berlin v. 30.1.2001-3 Sa 2255/00-nrkr. (BAG 9 AZR 353/01)
Die durchschnittlichen Einkommen von Frauen betragen in der Bundesrepublik Deutschland bei Vollzeitbeschäftigung derzeit etwa 75 Prozent derjenigen von Männern. Diese im Durchschnitt niedrigeren Verdienste von Frauen werden in Wissenschaft und Praxis gemeinhin auf Ursachen wie z.B. kürzere Arbeitszeiten oder Berufsunterbrechungen zurückgeführt. Die gegenwärtig verwendeten Verfahren der Arbeitsbewertung finden als einkommensbestimmende Faktoren hingegen kaum Beachtung. Dies dürfte vor allem an der nach wie vor weit verbreiteten Ansicht liegen, Arbeitsbewertung sei geschlechtsneutral weil sie die Tätigkeit bewerte und nicht die Person, die sie ausübt. Dabei haben nationale und internationale ExpertInnen für diskriminierungskritische Arbeitsbewertungsforschung inzwischen in aller Deutlichkeit herausgearbeitet, dass eine Ursache für den Verdienstabstand die mittelbare Diskriminierung bei der anforderungsabhängigen Differenzierung der Grundentgelte mittels der Verfahren der Arbeitsbewertung ist. Durch die verwendeten Verfahren erfolgt vielfach eine Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten im Vergleich zu männerdominierten.
Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung hat verschiedene Aspekte: von gewerkschaftlicher Seite in den Vordergrund gestellt wird die Beschäftigungswirksamkeit - durch eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aus feministischer Sicht ist Arbeitszeitverkürzung ein Instrument, um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Erwerbsarbeitsmarkt zu fördern, da dann beiden Geschlechtern mehr Zeit für Familienarbeit (oder aber auch andere Nicht-Erwerbstätigkeit) zur Verfügung stünde.
Momentan sind 18% aller Beschäftigten teilzeitbeschäftigt, das ist im europäischen Vergleich oberes Mittelmaß. Mit etwa 87% stellen Frauen den absolut überwiegenden Teil der Teilzeitbeschäftigten. Das hat mit Gleichberechtigung nicht viel zu tun, sondern liegt daran, dass Frauen immer noch den absolut überwiegenden Teil der Familienarbeit erledigen und sowieso schon durchschnittlich bis zu 30% weniger verdienen als Männer, so dass sie seltener bzw. schlechter in der Lage sind, die Hauptverdienerin einer Familie zu sein.
Im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Wohnungsverweisung wegen Gewalttätigkeiten des Mannes, in dem die Vor würfe noch nicht aufgeklärt sind, wiegt das Interesse der Frau an ihrer körperlichen Unversehrtheit schwerer als das Interesse des Mannes gegen eine zeitlich befristete Wegweisung. Beschluss des OVG NRW vom 15.2.2002 – 5 B 278/02
Zum Sach verhalt: Die Beigeladene rief die Polizei zu Hilfe, weil der Antragsteller, ihr Lebensgefährte, sie körperlich misshandele und massiv bedrohe. Die Beamten des Antragsgegners verwiesen den Antragsteller daraufhin der Wohnung und sprachen ihm gegenüber ein zehntägiges Rückkehrverbot aus. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die polizeiliche Anordnung blieb in beiden Instanzen erfolglos.
Beschluß des VG Gelsenkirchen vom 29.1.2002-17L 117/02-
Aus den Gründen:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Wohnungsverweisung und das Rückkehrverbot anzuordnen, ist zulässig, aber nicht begründet.
Preis: 1.50 EUR
Beschluß des OLG München
Alleinige elterliche Sorge wegen unzuverlässigen Verhaltens
Beschluß des OLG München vom 26.11.2001, 16 UF 907/01
Aus den Gründen:
I.
Der Antragsgegner beschwert sich gegen die im Scheidungsverbundurteil getroffene Entscheidung zum Sorgerecht.
Aus der im Jahre 1998 geschlossenen und seit August 2001 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Parteien war nach ihrer Trennung im Januar 1999 der gemeinsame Sohn, geboren im März 1999, hervorgegangen.
Auf Antrag der Antragstellerin wurde ihr im Scheidungsverbundurteil die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind allein übertragen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, daß es bei dem Antragsgegner an der notwendigen Elternverantwortung mangele und durch sein unzuverlässiges Verhalten auf ein gewisses Desinteresse an dem Kind zu schließen sei, so daß es dem Wohl des Kindes am besten entspreche, die elterliche Sorge allein der Mutter zu übertragen.
Gründe für den dauerhaften Ausschluß des Umgangsrechts mit einem Kind
Selbstbezogenes, unzuverlässiges, das Kind über Jahre immer wieder enttäuschendes Verhalten eines Elternteils kann dazuführen, dass das Umgangsrecht dieses Elternteils mit dem Kind auszuschließen ist.
Beschluss vom 25.02.2002 - 61 F 2032/01 - rkr.
Einreise- und Aufenthaltsrecht für selbständige Prostituierte
1. Art. 44 Abs. 3 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (..,) und Art. 45 Abs. 3 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits (..,) sind dahin auszulegen, dass sie im jeweiligen Geltungsbereich der beiden Abkommen einen klaren und unbedingten Grundsatz aufstellen, der hinreichend wirksam ist, um vom nationalen Gericht angewandt zu werden, und der deshalb die Rechtsposition von Einzelnen regeln kann.
Die unmittelbare Wirkung, die diesen Bestimmungen somit zukommt, bedeutet, dass die polnischen und tschechischen Staatsangehörigen, die sie jeweils für sich in Anspruch nehmen, das Recht haben, sich auf sie vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats zu berufen, auch wenn die Behörden dieses Staates nach Art. 58 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens mit der Republik Polen und Art. 59 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens mit der Tschechischen Republik die Befugnis behalten, auf diese Staatsangehörigen das nationale Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.
Aufenthaltsrecht in anderem EU-Mitgliedstaat bei dort ausgeübter Prostitution
Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung der Frage, ob die von einer Angehörigen eines Mitgliedstaats der EU in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte Prostitution durch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erfasst wird oder ob ein Aufenthaltsrecht unmittelbar nach Art. 8a EG-Vertrag (jetzt Art. 18 EG) oder der Richtlinie Nr. 90/364 des Rats der EWG besteht.
Beschluss des BVerwG vom 18.9.2001 -1 C 17/00
Netzwerke und Vernetzungen - Tagungsbericht vom 28. FJT in Dortmund aus der Sicht einer "Tochter"
Seit einem USA-Aufenthalt feministisch interessiert und über einer Dissertation mit Schwerpunkt im Gleichheitsrecht brütend, machte ich mich erstmals auf zum Feministischen Juristinnentag, der dieses Jahr mit etwa 200 Teilnehmerinnen zum 28. Mal vom 26. bis 28. April in der Fachhochschule in Dortmund stattfand. Der folgende Bericht ist also sowohl aus der Perspektive einer Erst-Besucherin als auch aus der einer jüngeren Juristin der "Töchter"-Generation verfasst. Natürlich kann und soll diese Perspektive nur eine partiale sein, doch trägt gerade diese bewusste Partialität zum objektiven Blick bei, wie theoriegestählten Feministinnen und aufmerksamen Leserinnen dieser Zeitschrift ohnehin längst bekannt ist. Neben die letztlich unwillkürliche Perspektive tritt aber ein gezielt gewähltes Motto, nämlich das der häufig angesprochenen, um nicht zu sagen beschworenen Idee des Netzwerkes unter Frauen, das Vernetzungen in unterschiedlichen (Zeit)Dimensionen als Voraussetzung und Folge mit sich bringt. So dient dieser Bericht nicht nur der bloßen Information, sondern ist bestimmt von den persönlichen Eindrücken und Schwerpunkten der Autorin, die wie alle anderen Besucherinnen des Feministischen Juristinnentages unter der Qual der Wahl zwischen dem vielfältigen Angebot zu leiden hatte.