1. Zur Bedeutung des Prozessrechts im Kampf gegen Diskriminierung
Obwohl es seit über 50 Jahren rechtliche Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote gibt, hat sich an den tatsächlichen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt wenig geändert. Dies hat sicher viel mit den grundsätzlichen Grenzen des Rechts zu tun; jedenfalls das Arbeitsrecht hat sich in der Praxis nur begrenzt als erfolgreich erwiesen beim Versuch, Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten des Arbeitsmarkts auf breiter Basis auszugleichen und zu ändern. Die materiell-rechtlichen Diskriminierungsverbote - im Arbeitsrecht vor allem § 611a BGB, der auf die europäische Richtlinie 76/207/EWG sowie Art. 141 EG-Vertrag zurück geht - scheinen sich so praktisch als unzureichend zu erweisen. Dies hat aber nicht unbedingt etwas mit ihrem Inhalt und ihrer Ausgestaltung zu tun, sondern auch damit, dass sie nicht in geeignete verfahrensrechtliche Vorkehrungen oder andere breitenwirksame Formen der Rechtsdurchsetzung eingebettet sind: Die Diskriminierungsverbote konnten rechtlich bislang nur durch Individualklagen betroffener Frauen und Männer durchgesetzt werden.
Die Frage nach der Schwangerschaft ist unzulässig.
Das gilt auch dann, wenn in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sofort ein gesetzliches Beschäftigungsverbot eingreift. Urteil des BAG v. 6.2.2003 - 2 AZR 621101 -
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine von der Beklagten erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung über eine bestehende Schwangerschaft.
1. Die bloße Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs rechtfertigt die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht.
2. Auch bei der Übertragung sozialstaatlicher Aufgaben ist die Prognose des voraussichtlichen Beschäftigungsbedarfs Teil des Sachgrundes für die Befristung.
Urteil des BAG v. 22.3.2000 - 7 AZR 758/98 -
Das Projekt" verlässliche Grundschule" hat keinen vorübergehenden Charakter und kann daher nicht als Befristungsgrund im Arbeitsverhältnis zu einer Schulbetreuerin dienen.
ArbG Duisburg, Urteil v. 16.10.2003 - 2 Ca 2333/03 - n.rkr.-
Wie kam es, dass ich, eine Frau und Juristin der sogenannten 68er-Bewegung, dachte, "das feministische und juristische Schwungrad erst erfinden zu müssen". Wieso kam ich überhaupt nicht auf die Idee nachzuforschen, wie sich die Vor- und Vor-Vor-Generation der Juristinnen zu den mich bewegenden Themen wie § 218, Ehe- und Familienrecht, Gewalt gegen Frauen, neue Lebensformen etc. verhalten, wie sie argumentiert und wie sie politisch agiert hatten? Seit ich mir diese Frage stelle, grübele ich über mögliche Antworten.
Das Sommersemester 1997 war der Beginn. Prof. Dr. Gudrun Gersmann gab eine zweistündige Übung "Historikerinnen: Lucie Varga und Hedwig Hintze". An der üblicherweise gut besuchten Historischen Fakultät der Münchner Universität fanden sich für die Übung nur vier Interessierte, die sich unter Frau Gersmanns Anleitung mit einer (Teil)Geschichte ihrer Profession bekannt machen wollten. In dem hervorragenden Aufsatz einer anderen Historikerin, der inzwischen leider viel zu früh verstorbenen Claudia Huerkamp, über "Jüdische Akademikerinnen in Deutschland 1900-1938" (Geschichte & Gesellschaft 19, 1993, S. 311-331), stieß ich auf eine mir bis dahin unbekannte Tatsache. Frauen konnten zwar, abhängig vom Bundesland, in dem sie studierten, ab 1900 in Deutschland Rechtswissenschaft studieren, sie hatten allerdings erst ab 1922 Zugang zu den juristischen Professionen. Als Rechtsstudentin - ich habe Geschichte und Recht studiert - die sich für die juristische Ausbildung nicht besonders begeistern konnte, fragte ich mich natürlich sogleich: was treibt eine Frau zu einem Studium der Rechte, wenn sie noch nicht einmal die Aussicht auf einen juristischen Beruf hatte? Diese Irritation war der Ursprung meiner Magisterarbeit über die Geschichte der ersten bayerischen Juristinnen, die ich später zu der gerade an der Universität München entstehenden Dissertation über die Berufsgeschichte der ersten deutschsprachigen Juristinnen erweiterte.
Preis: 3.00 EUR
Pressemitteilung zum Urteil des EuGH
Anrechnung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten
Der Gerichtshofstellt im Fall einer Österreicherin, deren in Belgien zurückgelegte Kindererziehungszeiten b ei der Feststellung ihrer Versicherungszeiten in der Altersversicherung nichtangerechnet wurden, fest, dass die österreichische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist.
Unterhaltvorschusszahlungen, wenn der Unterhaltspflichtige in einem anderen Staat wohnt
Der Gerichtshof stellt fest, dass das Kind eines Arbeitnehmers als Familienangehöriger unmittelbar Ansprüche auf Familienleistungen erheben kann.
Anna Humer, geboren am 10. September 1987, ist die eheliche Tochter österreichischer Staatsangehöriger. Ihre Eltern wurden am 9. März 1989 geschieden; seither liegt die Kindesobsorge bei der Mutter. Diese zog 1992 zusammen mit ihrer Tochter nach Frankreich, wo sie nunmehr ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat und als Angestellte tätig ist. Der Vater ist in Österreich geblieben.
Eingriff in das Sorgerecht wegen drohender Genitalverstümmelung
Die Gefahr, dass ein Mädchen gambianischer Staatsangehörigkeit bei einem Aufenthalt in Gambia der dort weit verbreiteten Beschneidungszeremonie ausgesetzt wird, rechtfertigt es, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht insoweit zu entziehen, als es um die Entscheidunggeht, ob das Kindnach Gambia verbracht wird. Der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Mädchens in einer deutschen Pflegefamilie sind aber unverhältnismäßig.
OLG Dresden, Beschluss v, 15.7.2003,20 UF 0401/03
Beiordnung einer Opferanwältin bei jugendlichem Angeklagten
Die Beiordnung einer Opferanwältin ist auch im Jugendstrafverfahren gegen einen jugendlichen Angeklagten zulässig.
Beschluss d. OLG München v.17.12.2002-1 Ws 1184 aus 2002
Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der §§ 1360, 1360 a BGB und Gesetz zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
1. Dokument
Gesetzesantrag Ba-Wü 6.12.2002 BR-Drs. 888/02. 1. Lesung im Bundestag: Plenarprotokoll 15/40 vom 10.04.2003 S. 3359C-3366D, Beschluss: Überweisung an Rechtsausschuss (federführend), Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anhörung im BT am 22.10.2003
2. Dokument
A. Problem
Seit der Kindschaftsrechtsreform, die am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, können Eltern von nichtehelichen Kindern durch die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen die gemeinsame elterliche Sorge jederzeit installieren. In seinem Urteil vom 29. Januar 2003 (l BvL 20/99, 1 BvR 933/01) zur Regelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern (§ 1626a BGB) hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zudem aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2003 eine Übergangsregelung für diejenigen Eltern zu schaffen, die mit ihrem nichtehelichen Kind zusammengelebt, sich aber noch vor Inkrafttreten des 2. Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt haben und ein Elternteil infolge der Trennung zur Abgabe einer Sorgeerklärung nicht mehr gewillt ist. (...)
Sabine Heinke für den Deutschen Juristinnenbund e.V.
"Gläsernes Ehegattenkonto" - Zur Änderung der §§ 1360, 1360 a BGB
Bei dem Teilhaberecht handelt es sich um ein echtes Nullum, das dem haushaltführenden Ehepartner nicht mehr gewährt, als ihm nach der gegenwärtigen Rechtslage bereits zusteht (§§ 1360, 1360 a Abs. 1 BGB), die Vorschrift hat für ihn also keinen effektiven Nutzen. Dabei wird aber offenbar übersehen, dass die beabsichtigte emanzipatorische Kosmetik in den Familienhaushalten jedoch einigen Schaden anrichten kann (s. dazu unter II.).
Die Präzisierung des in der Ehe bestehenden Auskunftsanspruchs ist grundsätzlich zu begrüßen, sollte aber umfassender ausgestaltet sein (s. dazu unter III.) Eine wirksame Sicherung von Teilhaberechten sollte bei der Hausfrauenehe - für andere Formen sieht unser Eherecht ohnehin keine Regelungen vor - unserer Auffassung nach vor allem durch Änderungen in den bestehenden Vorschriften des gesetzlichen Güterstandes erfolgen, weil diese nämlich gegenwärtig so gestaltet sind, dass der haushaltführende Ehegatte von Gesetzes wegen um seinen Teilhabeanspruch gebracht wird. Gerade weil die beabsichtigte Einführung eines Teilhaberechts in § 1360 BGB (neu) weder eine dingliche noch eine schuldrechtliche Berechtigung schaffen soll, ist der Gesetzgeber der Notwendigkeit, im Bereich der Zugewinnausgleichsvorschriften wirklich effektiv im Sinne der Teilhabegerechtigkeit tätig zu werden, nicht enthoben (siehe dazu unter IV).
Eine Verfassung für Afghanistan: Gleichberechtigung als Verfassungsziel
Nach mehr als 23 Jahren Krieg befindet sich Afghanistan im Prozess der Neuordnung. In dieser äußerst schwierigen Übergangsphase ist es von grundlegender Bedeutung, welche Instrumente eine neue Verfassung zur Verfügung stellen muss, um die demokratische Zukunft des Landes sichern zu können. Ein Entwurf liegt seit November 2003 vor. Das afghanisehe Volk muss nun entscheiden, welche Regierungsform, welche Art der Gewaltenteilung und welche Art effektiven Rechtsschutzes das Land braucht und will. Zusätzlich muss die neue Verfassung auch den Wunsch nach Schutz der Grundrechte erfüllen. Welche Rechte müssen also garantiert werden, um Sicherheit, Respekt und Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger, also von Frauen und Männern gleichermaßen, zu sichern? Die implizierte und verkürzende Frage nach "Frauenrechten", so zeigt sich, muss hier grundlegend beantwortet werden.
medica mondiale: Rechtsprojekt für inhaftierte Frauen in Afghanistan
Im Gefängnis "Kabul Welayat" (einer baufälligen Baracke) sind Frauen und Mädchen teilweise mit ihren Kindern - zumeist unschuldig - inhaftiert: Einige sind konkreter Verbrechen beschuldigt, andere sitzen in Untersuchungshaft.
Eine große Anzahl sind außerdem Frauen und Mädchen, die selbst Opfer von Gewalt sind und zum Beispiel wegen der Flucht aus Gewaltbeziehungen oder vor Zwangsverheiratung des "Ehebruchs" angeklagt werden. Die meisten sitzen ein, weil sie gegen Regeln "verstoßen" haben, die laut internationalen Menschenrechtskonventionen gar keine sind. Zwar hat die afghanische Regierung diese Konventionen unterzeichnet - die afghanische Realität der Frauenunterdrückung und Gewalt gegen Frauen führt jedoch dazu, dass traditionelles Feudalrecht nach wie vor das individuelle Menschenrecht der Frauen bricht.
Über sexuelle Gewalt ist viel geschrieben worden, und aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Nun liegt ein Sammelband vor, der literarische, historische und juristische Zugänge zum Thema nicht nur sammelt, sondern auch - aus deutscher, schweizerischer und österreichischer Perspektive - Querverbindungen herstellt. Was verstehen wir unter "Gewalt"? Inwieweit ziehen sich rote Fäden - Künzel spricht von "Kontinuitäten" (S. 11) - durch die Geschichte der strafrechtlichen Reaktion auf sexuelle Gewalt gegen Frauen? Was unterscheidet die "Unzucht" von der "Notzucht" von der "Vergewaltigung", was die Gerichtsverfahren in der Weimarer Republik von den deutschen und österreichischen Justiz-Diskursen heute? Verstehen wir, was "Vergewaltigung von Männern durch Männer" bedeutet?
Buchbesprechung: Anne Dünnebier / Ursula Scheu: Die Rebellion ist eine Frau
Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2002
"Das hat die Hauptstadt des Deutschen Reiches noch nicht gesehen!" schreibt das Berliner Tageblatt. Tausende von Feministinnen aus aller Welt kommen zu einem internationalen Frauenkongress nach Berlin, dampfen mit Schiffen aus Amerika über den Ozean, reisen in tagelanger Bahnfahrt aus Russland und Italien an. Sie diskutieren über Frauenrechte, Prostitution, weibliche Kreativität und den kleinen Unterschied, streiten sich, feiern miteinander und das im Jahr 1896 zur Zeit Kaiser Wilhelms! "Mitten unter ihnen ist Anita Augspurg."
1857 in Verden als jüngste von 5 Kindern einer großzügigen Mutter und eines angesehenen Rechtsanwalts als Vater geboren, war sie nicht nur Deutschlands 1. Juristin. Zu einer Zeit, in der Frauen fast recht- und besitzlos waren, kämpfte sie mutig und kompromisslos für das Recht der Frauen zum Studium und zur Arbeit, die Versammlungsfreiheit, das Stimmrecht etc.. Sie stand zusammen mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin Lida G. Heymann an der Spitze der Frauenbewegung. Sie waren auch sehr engagierte Kriegsgegnerinnen.
Buchbesprechung: Birgit Schweikert / Susanne Baer: Das neue Gewaltschutzrecht. Leitfaden
Nomos, Baden-Baden 2002
Mit der typischen zeitlichen Verzögerung zu entsprechenden Debatten und Modellen in den USA der siebziger und achtziger Jahre und begleitet von entsprechenden Initiativen in Europa, insbesondere Österreich, kam auch hierzulande das Thema häusliche Gewalt / zivil- und strafrechtlicher Schutz von Frauen vor Gewalt, auf die feministische, juristische und politische Agenda der neunziger Jahre. Rechtspolitische Initiativen gab es zwar in der BRD bereits Anfang der achtziger Jahre im Zusammenhang mit der Frauenhausbewegung, insbesondere in Bezug auf die Wohnungszuweisung. Diese waren damals aber politisch noch nicht durchsetzbar (vgl. Alexandra Goy, Beweislastumkehr im Wohnungszuweisungsverfahren bei Misshandlung, STREIT 1992,18ff.). Maßgeblich beteiligt am aktuellen Geschehen waren Birgit Schweikert und Susanne Baer, beide damals beim Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt - BIG e.v. - aktiv, (vgl. Schweikert, Birgit, Gewalt ist kein Schicksal, Baden-Baden 2000; Baer, Susanne / Schweikert, Birgit, jetzt erst recht, Rechte für misshandelte Frauen - Konsequenzen für die Täter, Berlin 2001; Baer, Susanne / Schweikert, Birgit, Intervention gegen häusliche Gewalt in den USA und Australien, FPR 1995,278ff.).
Buchbesprechung: Irmela Amelung u.a.: Rechtsratgeber Ehevertrag von Frauen für Frauen
Rowohlt Taschenbuch Verlag 61536
Über Eheverträge gibt es eine Vielzahl von Büchern für die anwaltliche und notarielle Praxis ebenso wie für interessierte Menschen. Sie erwecken in der Regel den Anschein, es gehe lediglich um die sachgerechte Gestaltung von individuellen Verhältnissen nach dem Motto: jede Ehe ist anders! Dass eine solche ,sachgerechte Gestaltung' aus der Perspektive unterschiedlicher Lebensentwürfe und -chancen von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft ganz unterschiedlichen Inhalt haben könnte und im Abschluss eines Ehevertrags ein erhebliches Konfliktpotential liegen kann, wird verschwiegen. Erst die aktuelle Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat für eine breitere Öffentlichkeit den Focus darauf gelenkt, dass Eheverträge eine Geschlechterperspektive haben. In diesem Sinne war der jetzt vorgelegte Ratgeber Ehevertrag von Frauen für Frauen überfällig.