Ausgabe 3

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Ausgabe 3/2023

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Birgit Schweikert

40 Jahre STREIT – eine Säule der feministischen Rechtsbewegung – eine Festrede

Sehr geehrte Damen, liebe feministischen Jurist:innen, liebe Mit- und Vorstreiterinnen, liebe Geburtstagsdamen der STREIT, liebe Alle!

Wie spreche ich über eine Zeitschrift und die Macherinnen einer Zeitschrift, die mich meinen gesamten bisherigen Weg als feministische Juristin begleitet haben?

Als ihr mich angefragt habt, eine Festrede zu 40 Jahren STREIT zu halten, fühlte ich mich erstens sehr geehrt (Stichwort: „Säule der feministischen Rechtsbewegung“), dann habe ich mich zweitens sehr gefreut, und dann hat es mich drittens persönlich-biographisch sehr bewegt.
Denn beim kurzen Zurückrechnen hatte sich mein Gefühl bestätigt: Die STREIT hat mich in allen Phasen meines Juristinnenlebens begleitet, empowert, inspiriert, an- und aufgeregt – und zwar 40 Jahre lang, von Anfang an bis heute:
– in meiner Entscheidung, Jura studieren zu wollen – und es dann auch zu tun,
– als Referendarin auf der Suche nach meinem Berufs- und Berufungsprofil,
– als NGO-Mitarbeiterin und
– als Ministerialbeamtin in meiner Wanderung in und durch die Institution eines Bundesministeriums.

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Lucy Chebout

Es steht ein Pferd auf dem Flur. Warum der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz das Abstammungsrecht für queere Familien schlimmer macht

Der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz ist da und befindet sich derzeit in der Verbände- Diskussion. Das Gesetz soll die personenstandsrechtliche Geschlechts- und Vornamensänderung erleichtern. Es will „entbürokratisieren“ und einen „schnellen, transparenten und leicht zugänglichen“ Weg zur geschlechtlichen Selbstbestimmung eröffnen (S. 25). Der Entwurf sieht auch Änderungen des Abstammungsrechts vor, die ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine „Interimslösung“ sein sollen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die „Interimslösung“ jedoch als vorweggenommene Teilreform des Abstammungsrechts, mit der die Eltern-Kind-Zuordnung für queere Personen zukünftig nicht leichter, sondern schwerer, komplizierter und teurer werden würde. Es steht ein Pferd auf dem Flur – und es ist möglicherweise ein trojanisches.

Queere Elternschaft im aktuellen Recht
Das materielle Familienrecht sieht bislang zwei Elternstellen für ein Kind vor, die binär-zweigeschlechtlich konstruiert sind. Demnach soll ein Kind jeweils nur eine „Mutter“ und einen „Vater“ haben können, so jedenfalls auf Grundlage des deutschen Abstammungsrechts. Über Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist es allerdings auch jetzt schon möglich, unter Anwendung ausländischer Rechtsordnungen queere Elternschaften in Deutschland zu begründen.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des EGMR

500 Jahre alte Stiftung darf Frauen nicht weiter diskriminieren

Der Gerichtshof wendet auf die Auslegung einer Urkunde aus osmanischer Zeit das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK an, weil die Klage nach Inkrafttreten der Anerkennung des Rechts auf Individualbeschwerde des Staates (hier: Türkei) erfolgte.
Gerichte haben die positive Verpflichtung, auch im Rahmen privatrechtlicher Streitigkeiten die Parteien vor einer diskriminierenden Rechtsanwendung zu schützen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des EGMR vom 05.07.2022, Dimici ./. Türkei – 70133/16
Eigene Übersetzung mit Hilfe von www.DeepL.com/Translator

Zum Sachverhalt:
Necmiye Dimici hatte 2010 beim Zivilgericht Diyarbakir den Stiftungsrat einer im Jahr 1536 im Osmanischen Reich gegründeten Stiftung auf Auszahlung des jährlichen Ausschüttungsbetrags verklagt, weil dieser ihr als unmittelbarer Nachkommin des Stifters zustehe. Die Stiftung, deren Vermögen 2015 auf 207 Millionen Euro geschätzt wurde, erfüllt die vom Stifter vorgesehenen wohltätigen Zwecke und schüttet den Rest an die direkten männlichen Nachkommen des Stifters aus. Sachverständige, die im Auftrag des Gerichts die Stiftungsurkunde aus der arabischen und türkisch-osmanischen Sprache übersetzten, kamen zu dem Schluss, dass der Stifter ausdrücklich nur männliche Nachkommen begünstigen wollte. Weibliche Nachkommen sollten lediglich einen Beitrag zum Lebensunterhalt erhalten.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des KG Berlin

Gewalt gegen eine Sache kann eine Drohung im Sinne von § 1 GewSchG darstellen

1. Eine Drohung im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG bezeichnet das In-Aussicht-Stellen eines Übels, dessen Verwirklichung davon abhängt, dass die bedrohte Person nicht nach dem Willen des Täters handelt. Dafür bedarf es nicht des ausdrücklichen In-Aussicht- Stellens eines Übels, sondern das kann auch durch Drohgebärden, Gesten oder eine „Drohkulisse“ erfolgen.
2. Ein Verhalten des Täters, das Anlass zum Erlass von Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz gibt, indiziert eine Wiederholungsgefahr und das rechtfertigt es zwanglos, eine zu Recht erlassene Schutzanordnung auch auf ein Rechtsmittel hin weiter aufrecht zu erhalten.
(Leitsätze des Gerichts)
Beschluss des KG vom 08.02.2023 – 16 UF 154/22

Aus dem Sachverhalt:
I. Der Antragsgegner wendet sich gegen den am 5. Oktober 2022 im Wege der einstweiligen Anordnung und nach mündlicher Erörterung der Sache erlassenen Gewaltschutzbeschluss des Familiengerichts. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht im Wege der einstweiligen Anordnung zugunsten der Antragstellerin eine Schutzanordnung nach § 1 GewSchG erlassen und dem Antragsgegner unter gleichzeitiger Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die beiden Beteiligten gemeinsam gehörende Doppelhaushälfte in der …straße – die Ehewohnung der Beteiligten – nochmals zu betreten, sich der Doppelhaushälfte auf eine Distanz von weniger als 50m zu nähern oder mit der Antragstellerin in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen oder diese auf elektronischem Wege zu orten, zu filmen oder zu überwachen.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OLG Köln

Istanbul-Konvention als Auslegungshilfe in Umgangsverfahren

Nach Art. 31 Abs. 1 IK ist sicherzustellen, dass die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden gewalttätigen Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchsund Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden.
Art. 31 Abs. 2 IK fordert, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet. Weiter stellt nach Art. 3a IK jede Form sexueller Gewalt gegen Frauen zugleich eine Menschenrechtsverletzung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar
Diese Bestimmungen der IK sind als Auslegungshilfe für die EMRK, insbesondere auch Art. 8 EMRK, das Recht auf Familie, heranzuziehen.
Die Mutter eines Kindes, das vom Umgang verlangenden Vater missbraucht wurde, hat keine wie auch immer geartete Kooperationsverpflichtung.
Konfrontationen – auch indirekte – des Kindesvaters, der die Halbschwester seines Kindes sexuell missbraucht hat, mit der Kindesmutter bergen die direkte Gefahr einer Retraumatisierung der Kindesmutter und Destabilisierung des familiären Umfeldes mit unmittelbaren Auswirkungen für das Kind, für das Umgang verlangt wird.
Das Wissen, dass keine tatsächliche körperliche Gefahr für das Kind bestehen mag, ändert nichts an dem Einfluss, den ein direkter Kontakt mit dem Kind auf die emotionale Erlebenswelt der Kindesmutter und der Schwester des Kindes haben würde. Dies gilt auch für begleitete Umgänge.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OLG Köln vom 29.09.2022 – II-14 UF 57/22, 14 UF 57/22

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des AG Grimma

Auflage an den Kindsvater, beim Umgang nicht zu jammern

Der Vater wird beauftragt, es zu unterlassen, gegenüber dem Kind negativ über die Mutter zu sprechen, Handlungen der Mutter negativ zu bewerten und darzustellen, über seine vergangene, aktuelle und zukünftige Situation zu jammern und traurige Gefühle im Beisein des Kindes auszuleben.
Der Vater wird beauftragt, die Umgänge alleine wahrzunehmen. Mit Ausnahme des Umgangspflegers dürfen keine weiteren Personen an den Umgängen teilnehmen.
Der Vater hat es zu unterlassen, Bilder und Fotos des Kindes und des Umgangspflegers in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Der Umgangspfleger wird verpflichtet, den Umgang abzubrechen, wenn der Vater die vorgenannten Auflagen missachtet oder mit dessen Fortführung eine Gefährdung des Kindeswohls verbunden ist.
(Aus dem Tenor)
Beschluss des AG Grimma vom 19.12.2022, 1 F 607/19

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BGH

Schwangere Schöffin kann auch bei Beschäftigungsverbot richten

Das einer ehrenamtlichen Richterin nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochene Beschäftigungsverbot führt nicht zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung und berührt deshalb den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht.
Dass eine Schöffin aufgrund einer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sein sollte, das Schöffenamt auszuüben, liegt auch in Fällen des § 16 MuSchG regelmäßig fern.
Eine Strafkammer ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu verpflichtet, die Schwangerschaft einer Berufsrichterin oder Schöffin offenzulegen oder Fragen der Verfahrensbeteiligten dazu zu beantworten; jedenfalls bei einer Schöffin gilt Gleiches im Hinblick auf etwaige ärztliche Beschäftigungsverbote nach § 16 MuSchG.
Urteil des BGH v. 30.09.2021, 5 StR 161/20

Aus den Gründen:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, Einziehungsentscheidungen getroffen und ihn von weiteren Vorwürfen freigesprochen. […] Die mit der Verfahrensrüge sowie der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des BGH

Strafbarkeit bei heimlich ungeschütztem Geschlechtsverkehr („Stealthing“)

Der gegen den erkennbaren Willen der Frau heimlich ohne Kondom ausgeführte Geschlechtsverkehr (sogenanntes „Stealthing“) stellt eine sexuelle Nötigung gem. § 177 Abs. 1 StGB dar. Auch die Verwirklichung des Regelbeispiels gem. § 177 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 StGB (Vergewaltigung) kommt in Betracht.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des BGH vom 13.12.2022 – 3 StR 372/22

Hinweis der Redaktion:
Siehe auch Beschluss des OLG Schleswig vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 – in STREIT 2021, 63ff.

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Beschluss des VG Minden

Gewerbeerlaubnis für Prostitution nur bei gewährleistetem Notfallruf

Prostitutionsstätten müssen über ein „sachgerechtes Notrufsystem“ verfügen.
Sachgerecht sind allein solche Notrufsysteme, welche im Fall eines Übergriffs effektiven Schutz bieten. Dazu gehört nicht nur die jederzeit mögliche Absetzung des Notrufs, sondern auch die Gewährleistung, dass das Absetzen eines Notrufs automatisch Folgemaßnahmen auslöst, die dazu führen, dass der in Not geratenen Prostituierten im Fall eines Übergriffs schnell und erfolgversprechend geholfen wird. Hierzu bedarf es einer im Einzelnen und im Voraus festgelegten Interaktionskette, an deren Ende in jedem Fall schnellstmögliche und adäquate Hilfe geleistet wird.
Eine solche effektive Hilfe kann grundsätzlich nur durch im Betrieb anwesende und jederzeit verfügbare Personen, welche unmittelbar durch Auslösen des Notrufs alarmiert werden und jederzeit unverzüglich Zutritt zur Räumlichkeit der sexuellen Dienstleistung haben, geleistet werden. Auch muss die alarmierte Person gemäß § 25 Abs. 2 ProstSchG über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen.
In keinem Fall sachgerecht ist ein Notrufkonzept, nach dem die Hilfeleistung durch andere im Betrieb anwesende Prostituierte erfolgen soll.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des VG Minden vom 16.05.2023, 3 L 276/23

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Regensburg

Flüchtlingseigenschaft für Mädchen wegen Gefahr der Genitalverstümmelung in Äthiopien und Somalia

1. Unbeschnittenen Mädchen/jungen Frauen droht sowohl in Äthiopien als auch in Somalia Genitalverstümmelung.
2. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht aufgrund der Angewiesenheit auf die Clanstruktur ethischer Somalis in Äthiopien auch dann nicht, wenn die Eltern die Genitalverstümmelung ablehnen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des Bayerischen VG Regensburg vom 13.10.2022, RN 16 K 19.32175

Zum Sachverhalt:
[…] Die Klägerin ist […] Tochter einer äthiopischen Staatsangehörigen somalischer Volkszugehörigkeit und eines somalischen Staatsangehörigen, der der Volksgruppe der Tumaal angehört. […] Die Mutter der Klägerin ist im Rahmen der Anhörung zu ihrem eigenen Asylantrag […] auch zu der Praxis der Genitalbeschneidung befragt worden. Diesbezüglich trug sie vor, dass sie im Falle der Rückkehr nach Äthiopien Angst habe, dass ihre Tochter vergewaltigt oder beschnitten werde. Außerdem sei der Vater der Tochter in den Augen ihrer Familie nicht würdig. Danach gefragt, wie sie zu dem Thema der Beschneidung stünde, erklärte die Mutter der Klägerin, dass sie diese total ablehne, sie habe die Erfahrung selbst durchgemacht. Ihren Ehemann gehe das Thema nichts an, er habe dazu nichts zu sagen, er bestimme das bei ihrer Tochter nicht. Ihre eigene Mutter erkläre die Beschneidung mit der Tradition, ohne Beschneidung könne eine Frau nicht heiraten. Das sei eine falsche Sitte. […] Die Großmutter der Klägerin vertrete zudem die Auffassung, eine Beschneidung sei Voraussetzung für die Ehefähigkeit einer Frau und entspräche der Tradition. Im Falle der Unterstützung durch die Familie wäre die Klägerin damit der Gefahr der Beschneidung ausgesetzt.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Empfehlungen für eine Reform des Familien- und Familienverfahrensrechts unter Berücksichtigung von häuslicher Gewalt (Auszug)

Vorbemerkungen
Eine Reform des Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrechts wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Nunmehr ist eine Modernisierung des Familienrechts auch im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten. Der Deutsche Verein weist ausdrücklich darauf hin, dass bei den anstehenden Diskussionen um eine umfassende Reform des Familienrechts und Familienverfahrensrechts insbesondere auch auf die Fälle zu schauen ist, in denen aus unterschiedlichen Gründen die gemeinsame Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung nicht im Sinne des Kindeswohls ist oder nicht verwirklicht werden kann. Dabei ist vor allem die Situation von Elternteilen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, und deren Kinder in den Blick zu nehmen. In der deutlichen Mehrzahl der angezeigten Fälle von häuslicher Gewalt sind die Opfer weiblich. Häufig handelt es sich bei häuslicher Gewalt auch um geschlechtsspezifische Gewalt.(…)
Der aktuelle Koalitionsvertrag enthält zu diesem Thema Folgendes: „Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.“ Inwieweit dies ausreichend ist, um den Gewaltschutz und die Bedarfe der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen und deren Kinder angemessen zu berücksichtigen, kann durchaus hinterfragt werden. Welche Maßnahmen aus Sicht des Deutschen Vereins notwendig sind, ist Gegenstand der vorliegenden Empfehlungen.

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VAMV-Bundesverband e.V.

Unterhaltsrecht: Reform muss an Lebensrealität anknüpfen, um Existenz von Kindern nicht zu gefährden

Bundesjustizminister Buschmann will in Trennungsfamilien mitbetreuende Elternteile beim Unterhalt entlasten und damit für Väter Anreize setzen, sich nach einer Trennung stärker in die Betreuung einzubringen, wie er in einem Zeitungsinterview angekündigt hat. Hierzu erklärt Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV):
„Die Reform muss sich an der Lebensrealität von Familien orientieren, statt an einem Leitbild von Gleichstellung, das meistens vor einer Trennung gar nicht gelebt wurde. Sonst sieht der VAMV eine große Gefahr für den weiteren Anstieg der Armutsgefährdung von Einelternfamilien. Wer Anreize für Väter setzen möchte, sich stärker in der Erziehung und Betreuung zu engagieren, sollte in Paarfamilien beginnen und Fehlanreize wie das Ehegattensplitting verabschieden, statt das Pferd von hinten aufzuzäumen.“

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Deutscher Juristinnenbund e.V.

5 Irrtümer über das Ehegattensplitting

I. Zur Regelung und den Wirkungen des Ehegattensplittings
Das Ehegattensplitting ist eine steuerliche Vergünstigung für verheiratete Paare. Das Einkommen der Eheleute wird gemeinsam veranlagt mit zwei wesentlichen Auswirkungen:
– Der Grundfreibetrag und andere steuerliche Abzugsbeträge werden verdoppelt.
– Die Progressionswirkung des Steuertarifsystems wird deutlich gemindert.
Beim Splitting wird das Einkommen beider Partner* innen fiktiv zusammengerechnet, rechnerisch halbiert und dann der Grundtarif auf jeweils die Hälfte des Einkommens berechnet. Tatsächlich steht das Einkommen in der Regel der Person zu, die es erzielt, und nicht etwa beiden Eheleuten gleichermaßen.
Der finanzielle Vorteil fällt umso höher aus, je ungleicher die Eheleute zum Einkommen des Haushaltes beitragen und je höher das Bruttohaushaltseinkommen ist. Bereits bei einem geringen zweiten Einkommen sinkt der Splittingvorteil im Vergleich zur Einverdienstehe erheblich.

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CEDAW-Allianz Deutschland

Alternativbericht CEDAW

bezugnehmend auf den 9. Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der VN zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW),
April 2023 (Auszug)

5. GEWALT GEGEN MÄDCHEN* UND FRAUEN*
Hilfestrukturen für gewaltbetroffene Frauen* und Mädchen*
Bundesweit gibt es kein flächendeckendes Netz an spezialisierten Fachberatungsstellen, um zeitnah Hilfe und Unterstützung erhalten zu können. Daneben existiert kein barrierefreies und mehrsprachiges Netz an Hilfeangeboten auch über die Fachberatungsstellen hinaus (Gesundheitsangebote für Frauen*, Spurensicherung, Traumahilfe, ausreichend Therapieplätze, Täterberatung etc.). Zusätzlich fehlen intersektionale, inklusive, regelfinanzierte Maßnahmen im Kontext Gewaltschutz, so dass nicht allen Frauen* und deren Kindern Schutz und Unterstützung auf gleichem, qualitativen Niveau ermöglicht wird. Dies betrifft Frauen* mit Behinderungen, Frauen* mit Flucht- oder Migrationsgeschichte, wohnungslose Frauen*, Frauen* mit Suchtgefährdung und Menschen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und Körpern, queere Frauen* und Mädchen*.

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Bündnis Istanbul-Konvention

Bündnis Istanbul-Konvention lehnt GEAS-Entwurf ab

Gemeinsames Statement zu den Konsequenzen des geplanten EU-Asylkompromisses für schutzsuchende Frauen und Menschen auf der Flucht, die Mehrfachdiskriminierung erfahren (müssen)

Am 1. Juni 2023 trat die Europäische Union der Istanbul-Konvention (IK) bei. Damit ist nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene der umfassende Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt gesetzlich verankert. Dieser Schutz der Istanbul- Konvention ist ausdrücklich diskriminierungsfrei für alle Frauen und Mädchen in der EU umzusetzen – auch für asylsuchende, auch für solche ohne Aufenthaltsrecht.
Nur eine Woche nach dem IK-Beitritt führt der Rat der EU-Innenminister*innen das Bekenntnis zur Istanbul-Konvention ad absurdum: Die Pläne für eine Reform des europäischen Asylsystems (GEAS), auf die sich der EU-Rat am 8. Juni 2023 einigte, hebeln die Menschenrechte von Geflüchteten und dabei besonders von vulnerablen Gruppen wie asylsuchenden Frauen, Müttern, Mädchen, Kindern, Menschen mit Behinderungen und Menschen aus den LSBTIQA* Communitys aus. Wird der Plan des EU-Rats Realität, wird der völkerrechtliche Auftrag zum Gewaltschutz in sein Gegenteil verkehrt. Das Bündnis Istanbul-Konvention lehnt die Pläne des EU-Rats ab. Zu erwarten ist nicht eine bessere Asylpolitik, sondern eine weitere Eskalation der Gewalt an den EU-Außengrenzen.

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Tatjana Volk

Bericht zum 47. Feministischen Juristinnen*tag 2023 in Frankfurt a.M.

Der Tagungsort des 47. Feministischen Juristinnen*- tags im Jahr des Jubiläums zum 40-jährigen Bestehen der STREIT hätte mit Frankfurt am Main, dem Gründungs- und Verlagsort der Zeitschrift, nicht besser gewählt werden können. Die Frankfurt University of Applied Sciences öffnete ihre Türen für die rund 330 Teilnehmerinnen*, denen ein spannendes Programm geboten wurde. Ich war zum ersten Mal dabei und freute mich auf den Input und den spannenden Austausch mit anderen feministischen Juristinnen*. Dass dies wohl auch vielen Anderen so ging, zeigt sich schon an den Anmeldezahlen. Knapp 500 Personen hatten sich angemeldet – ein fantastisches Zeichen für die feministische Rechtswissenschaft. Aus Kapazitätsgründen musste die Anzahl der Teilnehmerinnen* jedoch leider begrenzt werden.

Den Auftakt des FJT bildeten die Einführungs-AGs und alternativ ein Kulturprogramm mit Führungen durch die Stadt und Ausstellungen. Für Neulinge wie mich wurde die Einführung in den FJT für Neueinsteigerinnen* angeboten, bei der RAin Heike von Malottki und RAin Sabine Rechmann die Geschichte und Struktur des FJT vorstellten und von ihren eigenen Erfahrungen der letzten Jahre berichteten. Der Hörsaal war mit über 60 Neueinsteigerinnen* komplett gefüllt. Als eine kurze Diskussion um den Adressatinnen*kreis aufkam, erwies sich die selbstorganisierte Struktur des FJT als praktisch. Die Anmerkungen wurden konstruktiv aufgenommen und auf das Plenum des FJT verwiesen, in das jede Teilnehmerin* Themen zur Diskussion und Abstimmung einbringen kann.

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Resolutionen und Fachstellungnahmen des 47. FJT, 13. Mai 2023

Resolutionen

Resolution des 47. FJT anlässlich der feministischen Proteste in Iran

Der FJT solidarisiert sich mit der feministischen Revolution im Iran und fordert die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran.

Wir fordern, dass das Auswärtige Amt in seinen Lageberichten zu asyl- und abschieberelevanten Situationen die Berichte folgender Organisationen berücksichtigt:
– Hengaw Organization for Human Rights
– HRANA (Human Rights Activists News Agency)
– Center for Human Rights in Iran

Außerdem fordern wir, dass das Auswärtige Amt sowie die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Iran spezifisch die Situation von Frauen*, die an den Protesten teilnehmen, beobachtet und die Erkenntnisse zeitnah in ihre Berichte aufnimmt.

Resolution des 47. FJT zu den Forderungen afghanischer Frauen

Wir unterstützen die Forderungen der afghanischen Frauen an Deutschland und die Weltgemeinschaft anlässlich des 47. Feministischen Juristinnentags.

Hinweis der Redaktion:
Die Forderungen der afghanischen Frauen sind abgedruckt in STREIT Heft 2/23, S. 94 f.

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Hinweise

WSI-Studie zu Berufschancen auf einem digitalisierten Arbeitsmarkt / Hinweis in eigener Sache

Die Soziologin Yvonne Lott kommt in ihrer Studie zur „Verwendung digitaler Technologien und Einschätzung der Berufschancen in einem digitalisierten Arbeitsmarkt“ für das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vom Februar 2023 (siehe www.wsi.de/fpdf/HBS- 008549/p_wsi_report_81_2023.pdf) zum Schluss, dass die Digitalisierung die Geschlechterungleichheit auf dem Erwerbsarbeitsmarkt erhöht. Der Digital Gender Gap benachteilige Frauen im Erwerbsleben. Frauen nutzten bei der Erwerbsarbeit seltener spezielle Software und vernetzte digitale Technologien als Männer. Am größten sei der digitale Rückstand, wenn weibliches Geschlecht und kürzere Arbeitszeit zusammenkommen. Insbesondere Teilzeitbeschäftigte würden daher auf dem Erwerbsarbeitsmarkt in Zukunft weniger Chancen haben. Gezielte Weiterbildungen seien nötig. Qualifizierungsmaßnahmen hätten aber seit langem eine geschlechtsspezifische Schlagseite: Frauen erhielten seltener und kürzere Weiterbildungen als Männer, und diese erhöhten auch seltener die Chance auf Beförderung oder Lohnerhöhungen.

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