2024

Ausgabe 1

Inhalt

Ausgabe 1/2024

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Mariam Claren

Frau. Leben. Freiheit. – Feministische Revolution im Iran

Es ist Freitag, der 16. September 2022, als sich die Nachricht vom Tod von Mahsa Amini verbreitet. Mahsa’s richtiger Name ist Jina, ein kurdischer Name. Aber die theokratisch faschistischen Machthaber der Islamischen Republik Iran erkennen den Namen nicht an, daher musste die Familie ihr den persischen Namen Mahsa geben. Wie ein Lauffeuer geht die Nachricht durch alle Medien: „22-jährige Mahsa Amini stirbt nach Festnahme durch Sittenpolizei“. Ich sitze in meiner Kölner Wohnung und durchforste das Internet. Schon wieder ein Femizid, schon wieder muss eine Frau sterben, weil sie ihren Hijab angeblich nicht ordnungsgemäß trug. Ich schreibe meiner Mutter im Iran eine WhatsApp „Hast du die Nachrichten gesehen?“ „Ja, meine Nerven liegen blank, es ist herzzerreißend.“ Was nach einer normalen Mutter-Tochter-Kommunikation klingt, ist in Wahrheit nicht selbstverständlich, denn meine Mutter Nahid Taghavi ist eine politische Gefangene der Islamischen Republik Iran. Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich in einem medizinischen Hafturlaub. Zuvor hatte sie 641 Tage im berüchtigten Evin Gefängnis verbracht, davon 200 Tage in Einzelhaft. Sie war für ihren Einsatz für Frauenrechte zu 10 Jahren verurteilt worden.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des EuGH

Grundsatzentscheidung zu geschlechtsspezifischer Verfolgung

Frauen können als „bestimmte soziale Gruppe“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der EU Richtlinie 2011/95 (nach deutschem Recht gem. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG) angesehen werden, wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind. (Rdnr. 57)
(Leitsatz der Redaktion)
Urteil des EuGH – Große Kammer vom 16.01.2024 – C-621/21 – WS gegen Bulgarien

Zum Sachverhalt:
WS ist eine türkische Staatsangehörige, die zur ethnischen Gruppe der Kurden gehört und im Alter von 16 Jahren zwangsverheiratet wurde. Während der Ehe erlitt sie körperliche Gewalt durch ihren Ehemann. Ihre Ursprungsfamilie half ihr trotz Kenntnis der Gewalt nicht. WS floh aus der Wohnung und schloss eine religiöse Ehe mit einem andern Mann und ließ sich gegen den Widerstand ihres Ehemannes scheiden. Sie befürchtet, von ihrer Familie getötet zu werden. Ihr Asylantrag wurde rechtskräftig abgelehnt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Ansbach

Flüchtlingszuerkennung für bisexuelle Iranerin

1. Im Hinblick auf die persönliche Intimsphäre einer Person kann aus einem Zögern, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, nicht geschlossen werden, dass sie deshalb unglaubwürdig ist.
2. Bisexuelle Frauen stellen im Iran eine soziale Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil VG Ansbach vom 01.02.2023 – AN 17 K 17.34351

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist iranische Staatsangehörige und wurde im Iran sowohl im familiären Kontext als auch im beruflichen Kontext sexuell ausgenutzt, wiederholt inhaftiert und körperlich misshandelt. Nach Klageerhebung gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes über ihren Asylantrag trug sie zudem vor, dass sie nun eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingegangen sei.

Aus den Gründen:
[…] Die zulässige Klage ist begründet, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO, und damit erfolgreich. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG zu. […]

Preis: 3.00 EUR

Tessa Grosz, Elisabeth Greif

Diskriminierungspotenzial bei Online-Stellenanzeigen

Die digitale Transformation verändert zahlreiche Lebensbereiche durch den Einsatz immer leistungsfähigerer Techniken und Technologien. Bestimmte Tätigkeiten werden nicht länger von Menschen, sondern vollautomatisiert durch Maschinen, Roboter und andere Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) ausgeführt. Auch arbeitsbezogene Entscheidungen werden zunehmend durch oder mit Hilfe von Algorithmen getroffen. Gleichzeitig entstehen neue wirtschaftliche Tätigkeiten wie Plattformdienste oder die Gig Economy. Zu den zentralen Herausforderungen dieses Digitalisierungsprozesses zählt seine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Ausgestaltung.
Ein Bereich, in dem diese Veränderungen – aber auch die damit einhergehenden Risiken für (historisch) diskriminierungsgefährdete Gruppen besonders deutlich werden, ist die Arbeitswelt. Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt hat Tradition – eine Tradition, die die digitale Transformation weiterführt?
Der Berufsweg beginnt zumeist mit der Arbeitssuche. Während Stellenanzeigen früher hauptsächlich in Printmedien veröffentlicht wurden, findet die Suche nach geeigneten Mitarbeiter*innen heute fast ausschließlich online statt. Jobportale im Internet, die eigene Unternehmenswebsite und Social Media Plattformen gelten als wichtigste Rekrutierungskanäle.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Juristinnenbund

Transparenz und das Targeting politischer Werbung

Stellungnahme zum Vorschlag für eine VO des Europaparlaments (EP) und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung vom 25.11.2021 und den Abänderungen durch das EP vom 02.02.2023

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) nimmt hiermit Stellung zum Vorschlag für eine Verordnung des EP und des Rates über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung vom 25.11.2021 und den Abänderungen durch das EP vom 02.02.2023. Aktuell laufen die Trilogverhandlungen. Es wird erwartet, dass die Regelung zeitnah verabschiedet wird. Sie soll bereits für die Wahlen des EU-Parlaments Anfang Juni 2024 greifen.
In Europa und auch in Deutschland mehren sich Einzelpersonen und Personengruppen, die den Feminismus zum Feindbild erklären. Social Media- Anbieter*innen sowie Betreiber*innen von Online- Plattformen tragen mit gezielter werblicher (Online)- Ansprache dazu bei. Der djb sieht dringenden Handlungsbedarf für ein Verbot der Beobachtung des Nutzer*innenverhaltens und darauf aufsetzender politischer werblicher (Online)-Ansprache.

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Beschluss des BVerfG mit Anmerkung

Der Wunsch nach Sanktionierung und PAS sind keine zulässigen Grundlagen für Sorgerechtsentscheidungen

Bei der Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder (ggf. auch lediglich teilweise) Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 oder 2 BGB ist der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist.
Die Nichtberücksichtigung des Kindeswillens kann dann gerechtfertigt sein, wenn die Äußerungen des Kindes dessen wirkliche Bindungsverhältnisse, etwa aufgrund Manipulation eines Elternteils, nicht zutreffend bezeichnen oder wenn dessen Befolgung seinerseits mit dem Kindeswohl nicht vereinbar ist und zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2021 – 1 BvR 1839/20 –, Rn. 37 m.w.N.).
Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden (vgl. BVerfGK 15, 509 m.w.N.), bei der allerdings auch zu berücksichtigen ist, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (vgl. ebd.).
Das überkommene und fachwissenschaftlich als widerlegt geltende Konzept des sog. Parental Alienation Syndrome (PAS) genügt als hinreichend tragfähige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung nicht, da ein empirischer Beleg für eine elterliche Manipulation bei kindlicher Ablehnung des anderen Elternteils oder für die Wirksamkeit einer Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des angeblich manipulierenden Elternteils nicht besteht.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des BVerfG vom 17.11.2023 – 1 BvR 1076/23

Preis: 3.00 EUR

Sabine Heinke

Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung und die Grenzen der Wohlverhaltenspflicht im Umgangsstreit

Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 17.11.2023 – 1 BvR 1076/23

Die 2. Kammer des Ersten Senats hatte in dem vorliegend mit der Verfassungsbeschwerde präsentierten Fall Gelegenheit, sich mit den sorgerechtlichen Folgen der gerichtlichen Praxis zu § 1684 Abs. 2 BGB zu befassen. Wenn Eltern sich nach der Trennung nicht darüber einigen können, ob, wann und wie oft die gemeinsamen Kinder den abwesenden Elternteil besuchen, wird die Wohlverhaltensklausel bemüht, um den Aufenthaltselternteil, hier: die Mutter dazu zu bewegen, den Umgang der Kinder mit dem Vater zu ermöglichen und zu unterstützen. Bei Verstößen gegen die Wohlverhaltenspflicht wird damit gedroht, das Sorgerecht einzuschränken – etwa durch Bestellung eines Umgangspflegers oder auch die Sanktionierung von Umgangsregelungen nach § 89 FamFG. Führt auch das nicht zu einer Wiederherstellung des Umgangs, droht der „Entzug der Sorge“, zutreffend: die Übertragung der Sorge, insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts, auf den abwesenden Elternteil, verbunden mit der (wie vorliegend: gewaltsamen) Herausnahme der Kinder aus ihrem bisherigen Umfeld, oft mit der Begründung, der Aufenthaltselternteil „entfremde“ die Kinder vom abwesenden Elternteil.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BFH

Keine Steuerermäßigung für Kosten einer Leihmutter

Aufwendungen eines gleichgeschlechtlichen (Ehe-) Paares im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.08.2023 – VI R 29/21

Tatbestand:
I. Streitig ist, ob Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft („Leihmutterschaft“) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zwei Männer, die im Streitjahr (2017) die Ehe geschlossen haben und zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft in Höhe von … € als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das Ersatzmutterschaftsverhältnis wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) begründet und durchgeführt. Die Ersatzmutter war eine dort lebende Frau, die bereits zwei eigene Kinder hatte. Die Schwangerschaft der Ersatzmutter wurde durch eine künstliche Befruchtung herbeigeführt. Die Eizelle stammte von einer anderen in den USA lebenden Frau.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des KG Berlin

Sittenwidrigkeit des ganzen Ehevertrages bei umfassendem Ausschluss von Rechten

Wenn eine formal wirksame Vereinbarung der Ehegatten über den Versorgungsausgleich der Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG nicht standhält, ist der Versorgungsausgleich vom Familiengericht von Amts wegen entsprechend den gesetzlichen Regelungen durchzuführen.
(amtlicher Leitsatz, auszugsweise)
Beschluss des KG Berlin vom 28.08.2023, 16 UF 21/23

Aus den Gründen:
I. Der Antragsteller, ein aus M in der südlichen Ukraine stammender deutscher Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem vom Familiengericht am 3. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten auf seinen Antrag geschieden und der Versorgungsausgleich entgegen seinem Antrag, diesen nicht zu regeln, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchgeführt wurde.
Zur Begründung dafür, weshalb der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln sei, hat das Familiengericht darauf verwiesen, dass der vom Ehemann und der Antragsgegnerin, der Ehefrau – einer aus M stammenden, belarusischen Staatsangehörigen, die den Ehemann 2009 über ein russischsprachiges Internetportal kennengelernt und mit ihm nach mehreren, in Osteuropa verbrachten Urlauben im August 2010 in Berlin die Ehe eingegangen ist – am X 2012 […] abgeschlossene Ehevertrag unwirksam sei. […]

Preis: 3.00 EUR

Urteil des OLG Oldenburg

Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme im Darlehensvertrag

1. Bei einer Mithaftungserklärung besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die tatsächliche Vermutung einer Sittenwidrigkeit, wenn sich die Mitverpflichtete damit finanziell krass überfordert und wenn sie dem Hauptschuldner persönlich besonders nahesteht.
2. Es widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Kreditinstitute die emotionale Verbundenheit zur wirtschaftlichen Absicherung ihrer Forderungen ohne Rücksicht auf die über Gebühr betroffenen Interessen der Mithaftenden ausnutzen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des OLG Oldenburg vom 29.06.2023, 8 U 172/22

Aus den Gründen:
I. Die Klägerin macht als kreditgebende Bank gegenüber der Beklagten gesamtschuldnerische Ansprüche aus einem gekündigten Darlehensvertrag geltend. Zusammen mit dem von der Klägerin gesondert in Anspruch genommenen CC unterschrieb die Beklagte am 16. April 2018 einen über die DD in Ort3 vermittelten „easyCredit“-Darlehensvertrag mit der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt verdiente die damals zwanzigjährige Beklagte als gelernte Bäckereifachverkäuferin rund 1.300 € netto.

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des KG Berlin

Zuweisung der Ehe(-Miet)wohnung an die Ehefrau nach Billigkeitsgründen

Die Ehewohnung ist der Ehefrau zuzuweisen, wenn sie nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte in stärkerem Maße auf sie angewiesen ist. Der Tatsache, dass der Ehemann der alleinige Mieter der Ehewohnung ist, kommt dabei kein entscheidendes Gewicht zu.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des KG Berlin vom 21.09.2023 – 16 UF 83/23

Aus den Gründen:
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Entscheidung des Familiengerichts in dem Scheidungsverbundbeschluss vom 28. Juni 2023, mit dem die in der Kstraße in B belegene Ehewohnung der Antragsgegnerin überlassen wurde.
Zur Begründung der Entscheidung hat das Familiengericht ausgeführt, auch wenn die gemeinsame Tochter der Beteiligten – die heute knapp über 12 Jahre alte N – seit längerer Zeit bereits im Haushalt des Antragstellers lebe, überwögen dennoch die Interessen der Antragsgegnerin an der Belassung der Wohnung das Interesse des Antragstellers, dass die von ihm allein angemietete Ehewohnung, aus der er im August 2020 ausgezogen sei, erneut ihm wieder zur Nutzung überlassen werde. […]
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. […]

Preis: 3.00 EUR

Beschluss des OVG Koblenz

Reine Frauenliste darf zur Personalratswahl zugelassen werden

Die Zusammensetzung einer Liste als reine „Frauenliste“ begründet nicht die Anfechtbarkeit der Personalratswahl.
Bei § 15 Abs. 1 Satz 3 LPersVG handelt es sich schon nicht um eine wesentliche Bestimmung über das Wahlverfahren nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LPersVG. Dessen ungeachtet ist unter den derzeitigen Verhältnissen eine reine „Frauenliste“ mit einer entsprechenden Themen- und Schwerpunktsetzung von sachlichen, nach dem Normprogramm des § 15 Abs. 1 Satz 3 LPersVG anerkennungswürdigen Gründen getragen.
Es bestehen auch deshalb keine durchgreifenden Bedenken gegen eine „Frauenliste“, weil der Personalrat in seiner täglichen Arbeit mit den Problemen von Frauen unmittelbar konfrontiert ist und ihm daher eine maßgebliche Rolle bei der Beseitigung von Nachteilen und der Durchsetzung der Geschlechtergerechtigkeit zukommt.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des OVG Koblenz vom 04.10.2022 – 5 A 11514/21

Aus den Gründen:
I. Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit der Wahl zum Personalrat des A* …s des B* … – in C* … am 17. März 2021.
Bei dieser turnusgemäß durchgeführten Wahl traten drei Listen an […].
Mit am 29. März 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die Personalratswahl angefochten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Wahl sei durch die Liste 3 sittenwidrig beeinflusst worden. […] Zudem habe die Liste 3 als reine „Frauenliste“ überhaupt nicht zur Wahl zugelassen werden dürfen. […]

Preis: 3.00 EUR

GREVIO

Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence

Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland (Auszug)

1. Psychische Gewalt (Artikel 33)
237. Im deutschen Recht gibt es keinen spezifischen Straftatbestand, der den Tatbestand psychischer Gewalt erfasst. Diese, in Situationen häuslicher Gewalt häufig vorkommende Form der Gewalt, kann unter die Straftatbestände Nötigung, Bedrohung, Körperverletzung, Stalking (§§ 240, 241, 223, 238 StGB), und/oder unter § 4 Abs. 1 Gewaltschutzgesetz subsumiert werden.
238. (…) Der Straftatbestand der „Bedrohung“ erfordert die Androhung einer strafbaren Handlung, eine Schwelle, die zu hoch ist, um die Art andauernder psychischer Gewalt zu erfassen, die Opfer häuslicher Gewalt erfahren. In Bezug auf den Straftatbestand der „Körperverletzung“ stellt GREVIO fest, dass der Wortlaut des Straftatbestands es zwar ermöglichen würde, psychische Schäden unter diese Bestimmung zu subsumieren, dass aber in der Praxis die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diese Möglichkeit weitgehend auszuschließen scheint.

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Heinrich-Böll-Stiftung

Yuliya Sporysh, Kyiv, Ukraine, erhält den Anne-Klein-Frauenpreis 2024

Der Anne-Klein-Frauenpreis geht 2024 an die ukrainische Feministin und Frauenrechtsaktivistin Yuliya Sporysh. Die Soziologin gründete 2019 in Kyiv die Nicht-Regierungs-Organisation „Girls“, zunächst mit dem Ziel, sich für Sexualaufklärung und Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt einzusetzen. Bis heute ist sie deren Leiterin. Mit dem russischen Überfall auf ihr Land haben sich die Aufgaben ihrer Organisation vervielfältigt – eine Herausforderung, die Yuliya Sporysh beherzt bewältigt.
Die Juryvorsitzende Dr. Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, begründet die Entscheidung für Yuliya Sporysh: „Wir sind besonders davon beeindruckt, dass sie sich selbst in Kriegszeiten für die Sichtbarkeit von Frauen in der Gesellschaft und ihre Führungsrolle einsetzt. Yuliya wirkt aktiv vernetzend und wertschätzend innerhalb der ukrainischen Frauenbewegung, um andere Frauen, kleinere Nichtregierungsorganisationen und Basisinitiativen zu stärken“
www.gwi-boell.de/de/anne-klein-frauenpreis

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Vorankündigung

48. Feministischer Juristinnentag in Berlin

10.-12. Mai 2024 in Berlin

Der FJT wird in diesem Jahr mit geplant 600 Teilnehmenden deutlich größer und vielfältiger sein als in den Vorjahren. Er wird unter dem Oberthema stehen: Recht zugänglich. Damit verbindet sich der Anspruch, in besonderem Maße barrierefrei und offen zu sein für Frauen* und nicht-binäre Personen mit unterschiedlichsten Diskriminierungserfahrungen.
Das Programm mit ca. 80 Veranstaltungen in verschiedenen Formaten beginnt schon am Freitagmittag mit Arbeitsgruppen, Foren, Workshops und verschiedenen Begegnungs- und Vernetzungsmöglichkeiten. In jeder der 9 Zeitschienen werden voraussichtlich zwei Veranstaltungen hybrid angeboten. Der FJT wird wie immer am Sonntagmittag mit dem Abschlussplenum enden, bei dem u.a. der Ort für die nächste Austragung des FJT bestimmt werden sollte.
Veranstaltungsorte sind die TU-Berlin (Straße des 17. Juni 135) und am Freitagabend das Haus der Kulturen der Welt (John-Foster-Dulles-Allee 10).
In diesem Jahr wird der FJT vorrangig durch die Lotto-Stiftung Berlin und wieder durch das BMFSFJ gefördert. Wir danken dem „Förderverein Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte e.V.“, der in diesem Jahr Veranstalter des FJT ist.
Kontakt, Anmeldung, Infos unter: www.feministischer-juristinnentag.de

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Die Redaktion gratuliert

Dr. Christine Fuchsloch wird erste Präsidentin des Bundessozialgerichts

Die Redaktion gratuliert Dr. Christine Fuchsloch, zuvor Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts. Sie wurde am 1. März 2024 zur Präsidentin des Bundessozialgerichts ernannt und ist in dieser Position die erste Frau in diesem Amt. Wir freuen uns über diese Wahl.
In ihrer Antrittsrede macht sie u. a. ihr Anliegen der Zugänglichkeit zu Recht als sozialem Faktor deutlich, wenn es dort heißt:
„Bei der Kindergrundsicherung geht es um ein absolut wichtiges Ziel: die Chancengleichheit von Kindern. Die bisherigen Pläne führen im Ergebnis jedoch zu enorm komplizierten Verwaltungsstrukturen mit Schnittstellen zwischen Jobcenter, Familienkasse und Wohngeldstelle. Auch ein geteilter Rechtsweg für Leistungen der Kindergrundsicherung sowohl zu den Finanz- als auch zu den Sozialgerichten ist abzulehnen.

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Aus dem Archiv

Christine Fuchsloch: Es war einmal – Chancengleichheit und Arbeitsmarktpolitik

STREIT 3/2003, S. 99 (Auszug)

Es war einmal ein Land, da sollte es keine finanzielle Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern mehr geben. Da sollte jeder Mensch auf seine eigene soziale Absicherung vertrauen können und dafür verantwortlich sein. Politikerinnen und Politiker suchten in den Gesetzen des Landes nach alten und überkommenen Strukturen zu solchen Abhängigkeiten von Frauen, die nannten sie abgeleitete Ansprüche (d. h. von der Ehe abgeleitet und nicht selbst geschaffen). Mit großem Eifer wurden abgeleitete Ansprüche durch eigenständige ersetzt. Und so kam es zu den Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung, zum Versorgungsausgleich nach der Scheidung, zur sozialen Absicherung von pflegenden Töchtern und Schwiegertöchtern, zur gezielten Frauenförderung in der Arbeitsmarktpolitik und vielem mehr.

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Ausgabe 2

Inhalt

Ausgabe 2/2024

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Katrin Bülthoff, Sabine Heinke

Das Verschwinden häuslicher Gewalt im familiengerichtlichen Verfahren – im Zusammenspiel der Interpretationen von Wohlverhaltenspflicht und Kindeswohl Mit Anmerkungen zum Eckpunktepapier des BMJ für eine Reform des Kindschaftsrechts

1. Einleitung

Seit 2002 gilt in Deutschland das Gewaltschutzgesetz. Damit kann ein Opfer von Partnerschaftsgewalt, Nachstellung, Bedrohung gerichtliche Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen. Nicht in den Schutzbereich des Gesetzes fallen minderjährige Kinder im Verhältnis zu ihren sorgeberechtigten Eltern (§ 3 GewSchG). Insgesamt sind die Folgen von Partnerschaftsgewalt im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern bislang nur unzureichend berücksichtigt worden, das gilt insbesondere auch für die sog. Kindschaftsverfahren vor den Familiengerichten.
Obwohl am 01.02.2018 in Deutschland das Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sog. Istanbul-Konvention) Gesetz (GewSchÜ) geworden ist, scheint sich an diesem Befund noch nichts Entscheidendes geändert zu haben.

Preis: 3.00 EUR

Sylvia Cleff Le Divellec

Der Blick über die Grenzen lohnt: Frankreich schafft in seiner Verfassung eine „garantierte Freiheit“, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen

Am 4. März 2024 schrieb Frankreich Geschichte, als es die Freiheit der Frauen, einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, in die Verfassung aufnahm. An diesem historischen Tag funkelte der Eiffelturm ausnahmsweise nicht nur zur vollen Stunde über mehrere Minuten. Mehrere leuchtende Schriftzüge #IVGConstitution machten die historische Abstimmung für eine Verfassungserweiterung sichtbar. Frankreich feiert sich mit (Verfassungs-) Recht: es ist das erste Land der Welt, das die Garantie auf die Freiheit eines Schwangerschaftsabbruchs auf Verfassungsrang hebt.
Zum 25. Mal seit seiner Einführung im Jahr 1958 wurde die französische Verfassung inhaltlich geändert bzw. erweitert. Nach monatelangen Debatten im Vorfeld erfolgte das Verfahren in drei Schritten: eine erste Abstimmung in der Nationalversammlung führte am 30. Januar zur Annahme des Textes, gefolgt von einer zweiten Annahme durch den Senat einen Monat später. Der Gesetzentwurf wurde schließlich ein letztes Mal vom sogenannten „Kongress“, dem außerordentlichen Zusammenschluss von Mitgliedern der Nationalversammlung und des Senats, in Versailles gebilligt.

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Julia Jungfleisch

Verein KlimaSeniorinnen Schweiz gegen die Schweiz - Zur Entscheidung des EGMR vom 09.04.2024 „Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und andere gegen die Schweiz“: Klarstellungen zur Beschwerdebefugnis nach Art. 34 EMRK

A Drei Beschwerden als Ausgangspunkt

Am 09.04.2024 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zum ersten Mal über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte und die sich daraus ergebenden staatlichen Verpflichtungen. Ausgangspunkt waren neben der Beschwerde des Vereins KlimaSeniorinnen Schweiz (KlimaSeniorinnen) noch zwei weitere Beschwerden, die von der Großen Kammer zeitgleich entschieden wurden und als Grundlage für die künftige Rechtsprechung des Gerichtshofs im Zusammenhang mit dem Klimawandel herangezogen werden sollten, weshalb der Gerichtshof bis zur Entscheidung am 09.04.2024 die Entscheidung in anderen Fällen mit Bezug zum Klimawandel aufschob. Im Unterschied zum Fall der KlimaSeniorinnen blieben die anderen beiden Beschwerden jedoch ohne Erfolg, die Beschwerde von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegen Portugal und 32 weitere Staaten war insbesondere unzulässig mangels Rechtswegerschöpfung auf nationaler Ebene; die Beschwerde eines französischen Bürgermeisters blieb ohne Erfolg, da er aus Frankreich weggezogen war und daher nicht mehr betroffen war.

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Beschluss des OLG Bremen

Keine gemeinsame Sorge mit christlich-fundamentalistischem Kindesvater

Der Kindesmutter ist unter Kindeswohlaspekten eine Kommunikation mit dem Kindesvater über Kinderbelange schlechterdings nicht zumutbar, wenn der Kindesvater aufgrund seiner religiös-weltanschaulichen Überzeugung von der Kindesmutter erwartet, dass sie sich aufgrund ihres weiblichen Geschlechts ihm als Mann uneingeschränkt unterordnet.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des OLG Bremen vom 06.05.2024 – 5 UF 133/23

I
Die seit Februar 2022 getrenntlebenden Kindeseltern streiten über das Sorgerecht für den aus ihrer 2018 geschlossenen Ehe hervorgegangenen Sohn. Das … 2020 geborene Kind lebt seit der elterlichen Trennung bei der Kindesmutter. Zwischen den Kindeseltern ist beim Familiengericht das Scheidungsverfahren anhängig.
Die Kindesmutter hat beim Familiengericht […] einen am 16.08.2023 erlassenen und bis zum 16.02.2024 befristeten Beschluss erwirkt, mit dem ein Näherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Kindesvater verhängt worden ist. In einem weiteren Verfahren hat das Familiengericht mit Beschluss vom 04.01.2024 den Umgang des Kindesvaters mit dem Kind bis zum 04.07.2024 ausgeschlossen, nachdem der Kindesvater keine Bereitschaft gezeigt hatte – von der Kindesmutter beantragte – […] begleitete Umgangskontakte wahrzunehmen.

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Beschluss des OLG Frankfurt

Keine Fremdunterbringung eines Kindes für den Beziehungsaufbau zum abgelehnten Elternteil

1. Die Beeinflussung des Kindes durch einen Elternteil und die dadurch bei dem Kind hervorgerufene Umgangsverweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil reicht für sich genommen regelmäßig nicht aus, um eine Fremdunterbringung zu veranlassen.
2. Eine unberechtigte Umgangsverweigerung und die dem zugrunde liegende fehlende Bindungstoleranz beim Obhutselternteil kann allein nicht dazu führen, dass eine Kindeswohlgefährdung angenommen wird.
3. Eine Maßnahme, mit der ein Kind über eine Fremdunterbringung dazu gebracht werden soll, gegen seinen Willen zu dem Elternteil zu wechseln, mit dem es aktuell jeden Umgang ablehnt, kann nicht auf §§ 1666, 1666a BGB gestützt werden, weil diese Maßnahme in der Regel weder geeignet noch verhältnismäßig im engeren Sinne ist.
4. Die Unterbringung in einer stationären Einrichtung zum Zweck des Beziehungsaufbaus zum aktuell abgelehnten Vater stellt einen nicht zu begründenden Eingriff in die grundgesetzlich verbürgten Persönlichkeitsrechte des Kindes dar. Das gilt vor allem dann, wenn das Kind im Haushalt der Mutter dem Grunde nach gut versorgt war und sich keine Aspekte ergeben, die aus anderem Grund eine Fremdunterbringung rechtfertigen würden. Unter solchen Umständen kann der entgegenstehende Wille eines neun Jahre alten Mädchens nicht ohne weiteren Anlass übergangen werden.
(amtliche Leitsätze)
Beschluss des OLG Frankfurt vom 3. April 2024 – 7 UF 46/23

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Beschluss des KG Berlin

Umgangsausschluss zum Schutz des Kindes und der Mutter

1. Bei der Prüfung, ob der Umgang wegen einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB für längere Zeit auszuschließen ist, sind die Wertungen von Art. 31 Abs. 2 Istanbul-Konvention zu berücksichtigen, wonach durch die Gerichte sicherzustellen ist, dass durch die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechts nicht die Rechte und Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet werden.
2. Neben der unmittelbaren und mittelbaren Betroffenheit der Kinder ist danach auch die eigene Betroffenheit der Mutter als Opfer häuslicher Gewalt zu berücksichtigen.
3. Ein unbefristeter Umgangsausschluss ist möglich und geboten bei einem entsprechenden eindringlichen Wunsch eines älteren Kindes, wenn dieses einer Vielzahl von Verfahren ausgesetzt war und der begründete Eindruck entsteht, dass die ablehnende Haltung durch die gerichtlichen Verfahren und die damit verbundene Belastung eher noch verstärkt wird.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 27.01.2023 – 17 UF 150/22

I.
1. Das Amtsgericht hat […] den Umgang des Vaters mit seiner Tochter S, …2009) bis zu deren Volljährigkeit und mit seinem Sohn E C, …2013) für drei Jahre ausgeschlossen. […]
Hiergegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde, mit der in der Sache begehrt, das Verfahren unter die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung ohne gerichtliche Umgangsregelung einzustellen. Zur Begründung trägt er vor, er habe seinen Umgangsantrag erstinstanzlich zurückgenommen.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BAG

Verlängerter Referenzzeitraum für Mutterschutzlohn

1. § 18 Satz 2 MuSchG kann bei tariflichen Jahresarbeitszeitmodellen mit saisonal stark schwankender variabler Vergütung extensiv dahingehend auszulegen sein, dass zur Ermittlung des als Mutterschutzlohn zu zahlenden durchschnittlichen Arbeitsentgelts auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum abzustellen ist.
2. Entsprechendes kann in derartigen Fällen für den Referenzzeitraum zur Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG gelten.
Urteil des BAG vom 31.05.2023, 5 AZR 305/22

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Höhe des Mutterschutzlohns der Klägerin und über die Höhe des Zuschusses zu ihrem Mutterschaftsgeld. Der Streit betrifft im Wesentlichen die Höhe des auf die variablen Entgeltbestandteile entfallenden Teils des Mutterschutzlohns.
Die […] Klägerin ist […] als Flugbegleiterin bei der Beklagten tätig. Sie wird gemäß dem „Tarifvertrag Saisonalitätsmodelle Kabine Nr. 2“ vom 2. Juni 2017 (im Folgenden: TV SMK) im Modell „KA“ mit einem Jahresarbeitszeitquotienten von 83 % im Verhältnis zur tarifvertraglich geregelten Vollzeit beschäftigt. Ihre Vergütung besteht aus festen Anteilen (Grundgehalt, Schichtzulage, Zuschuss Jobticket), Sonderzahlungen und variablen Entgeltbestandteilen (Mehrflugstundenvergütung und Bordverkaufsprovision). Nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a TV SMK wird die Grundvergütung des teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters im Verhältnis zur jährlichen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters anteilig gekürzt und regelmäßig monatlich ausgezahlt, unabhängig von der z.T. geringeren oder höheren tatsächlichen Arbeitszeit.

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Urteil des VG Magdeburg

Subsidiärer Schutz für alleinstehende Inderin mit zwei kleinen Kindern

1. Eine alleinstehende Frau mit zwei kleinen Kindern erhält in Indien landesweit keinen wirksamen staatlichen Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffen.
2. Von der Möglichkeit einer selbständigen Existenzsicherung einer alleinstehenden Frau mit zwei Kindern ist aufgrund der Vielfalt von Diskriminierungen, sozialen Stigmatisierungen und Stereotypen ihr gegenüber nicht auszugehen.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Magdeburg vom 09.10.2023, 5 A 40/22 MD

Zum Sachverhalt:
Bei den Kläger*innen handelt es sich um eine indische Staatsangehörige (Klägerin zu 1) und zwei Kinder, die 2012 und 2018 geboren sind. Die Klägerin zu 1) hat von ihrem drogen- und spielsüchtigen Ehemann und Vater der beiden Kinder Gewalt erfahren und es kam zur Trennung. Mutter und Schwester der Klägerin zu 1) leben mittlerweile nicht mehr in Indien, der in Indien lebende Bruder des Ehemanns hat den Kontakt zu den Kläger*innen abgebrochen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Beklagte) lehnte den Asylantrag der Kläger*innen vollumfänglich ab.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Schleswig-Holstein

Alleinstehende Frauen bilden eine soziale Gruppe in Afghanistan

1. Alleinstehende Frauen gehören in Afghanistan einer sozialen Gruppe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylG an.
2. Der Ausschluss vom öffentlichen Leben, die Gefahr der körperlichen Misshandlungen und die fehlende Möglichkeit, sich autonom zu versorgen, stellt für alleinstehende Frauen in Afghanistan eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte dar.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.03.2023, Az. 7 A 94/22

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie reiste 2020 aus Italien kommend auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte im August 2020 einen Asylantrag. Das Asylbegehren stützt sie auf Flucht vor Verfolgung durch die Taliban. Sie habe mit ihrer Familie im Iran gelebt und sei mit ihrem Mann nach Afghanistan gereist. Dort habe ihr Mann sie den Taliban überlassen, die sie über einige Monate sexuell missbraucht hätten. Ihr Ehemann habe dafür 20.000,00 Dollar erhalten. Mit Hilfe ihrer Tante sei ihr die Flucht aus Afghanistan gelungen. Von ihrem Mann sei sie getrennt. Ihre Kinder würden im Iran leben. Mit Bescheid vom 25. Mai 2021 lehnte die Beklagte das Asylbegehren in vollem Umfang ab.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Braunschweig

Flüchtlingseigenschaft für verheiratete irakische Frau wegen westlicher Prägung

1. Auch bei verheirateten Frauen und Müttern kann eine „Verwestlichung“ anzunehmen sein. [...]
3. Maßgeblich für die „Verwestlichung“ einer Asylsuchenden ist die Frage, inwiefern sie bereit ist, patriarchalische Rollenvorstellungen zu akzeptieren und sich sowohl ihrem Partner als auch anderen Männern unterzuordnen. Für eine „Verwestlichung“ sprechen der Wille zu einer selbstbestimmten Lebensführung, die Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Werten, die Bereitschaft, die eigene Meinung auch gegen Widerstände zu verteidigen, und das Bestreben, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen.
4. Die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden wirkt auch für „verwestlichte“ irakische Frauen gefahrerhöhend, ebenso das Fehlen eines schützenden (Groß-)Familienverbandes und prekäre Lebensverhältnisse im Herkunftsland.
(Amtliche Leitsätze)
Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 04.04.2024, Az. 2 A 26/21

Aus dem Sachverhalt:
1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. 2 Sie ist irakische Staatsangehörige, yezidischer Volkszugehörigkeit und yezidischen Glaubens aus dem Dorf Siba Scheich Khidir in der Region Sindschar der Provinz Ninive. Die Klägerin ist verheiratet und hat mit ihrem Ehemann drei elf, neun und sechs Jahre alte Söhne.

Preis: 3.00 EUR

Pia Lotta Storf

Buchbesprechung: Petra Sußner: Flucht – Recht – Geschlecht. Eine menschenrechtsbasierte Perspektive auf Grundversorgung und Asylstatus

Berichte über Gewalt gegen queere Personen gibt es überall auf der Welt. Etwa 70 Staaten kriminalisieren aktuell Queerness; direkt oder mittelbar, etwa über Sittengesetze oder religiöse Vorschriften.1 Auch wenn EU-Staaten etwa Homosexualität nicht mehr kriminalisieren, ist queerfeindliche – insbesondere trans*feindliche – Gewalt vielerorts Alltag, auch in Deutschland.
Queere Personen, die vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsland flüchten, sehen sich rigorosen Wahrhaftigkeitsprüfungen, mathematischem Abstellen auf Verteilungszahlen und stereotypen Vorstellungen von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, aber auch queerfeindlicher Gewalt etwa in organisierten Unterkünften und mangelhafter medizinischer Versorgung ausgesetzt.

In der auf ihrer Dissertation beruhenden Monografie Flucht-Recht-Geschlecht fragt Petra Sußner: Wie kann das Asylrecht als Schutz gegen queerfeindliche Gewalt effektiv mobilisiert werden?

Preis: 3.00 EUR

Katharina Gruber

Buchbesprechung: Merle Dyroff, Sabine Maier, Marlene Pardeller, Alex Wichnewski: Feminizide: Grundlagentexte und Analysen aus Lateinamerika

Die Herausgeberinnen tragen mit der Veröffentlichung verschiedener Texte aus Lateinamerika zu Feminiziden dazu bei, dass Wissens- und Theorietransfer aus dem globalen Süden Deutschsprachigen verfügbar gemacht wird. Der Lerneffekt bei der Lektüre der im deutschsprachigen Raum weitgehend unbekannten ausgewählten Texte lateinamerikanischer Feminist*innen ist groß. Der Begriff „Feminizid“ hat seinen Ursprung in der lateinamerikanischen feministischen Bewegung, so dass ein vielseitiges Verständnis des Begriffs an die Lesenden herangetragen wird.
Die Texte stammen von Jurist*innen, Anthropologinnen, einem Philosophen und unterschiedlichen Aktivistinnen, wobei der Schwerpunkt auf der Situation von geschlechtsspezifischer Gewalt in Mexiko und Argentinien liegt.

Das Buch beginnt mit einer Einleitung der Herausgeberinnen zur Relevanz der Feminizid-Forschung aus Lateinamerika. Hierbei wird nur auf die Thematisierung tödlicher Gewalt in der westdeutschen Frauenbewegung eingegangen. Der Verzicht auf die Darstellung einer ostdeutschen Entwicklung kann im Hinblick auf den lateinamerikanischen Schwerpunkt des Buches und die in der Einleitung interessante Zusammenfassung der historischen Auseinandersetzungen mit Feminiziden in Lateinamerika und der Darstellung der verschiedenen Begrifflichkeiten allerdings verziehen werden.

Preis: 3.00 EUR

BKSF

Stellungnahme zu Eckpunkten für eine Kindschaftsrechtsreform

Die Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF) begrüßt grundsätzlich eine Reformierung und Modernisierung des Kindschaftsrechts und insbesondere, dass mit der Reform gewaltbetroffene Eltern und ihre Kinder besser vor Gewalt geschützt werden sollen.
Besonders erfreulich ist, dass Familiengerichte künftig im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht in Umgangsverfahren eine umfassende und systematische Ermittlung von Anhaltspunkten für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und dem anderen Elternteil sowie eine Risikoanalyse vornehmen sollen. Wir befürworten zudem die Klarstellung, dass ein gemeinsames Sorgerecht bei Gewalt gegenüber dem Kind regelmäßig nicht in Betracht kommt. Ebenso halten wir die vorgeschlagenen Mitentscheidungsbefugnisse im Sorge- und Umgangsrecht für Kinder ab dem 14. Lebensjahr für wichtig und sinnvoll.

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Hinweise

Die Lila Hilfe stellt sich vor; Gendern in der Dissertation – Ein Leitfaden; Praxishandreichung zum SGB XIV: Das neue Soziale Entschädigungsrecht

Wir verstehen uns als parteiunabhängige und strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation der (feministischen) Frauenbewegung. Gemeinsam sind wir solidarisch!
Wir haben den Verein vor etwas mehr als einem Jahr gegründet, um niedrigschwellig all diejenigen zu unterstützen, die frauenfeindlicher Gewalt ausgesetzt sind bzw. aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Unsere Solidarität drückt sich dabei in verschiedenen Formen aus: Zum Beispiel bei der Suche nach Anwält:innen, Therapeut:innen und anderen Hilfen. Insbesondere bieten wir niedrigschwellige finanzielle Unterstützung an.
Um unsere Arbeit leisten zu können, suchen wir feministische Anwält:innen, an die wir Frauen weiterleiten können. Im Umkehrschluss könnt ihr auf uns verweisen, wenn es um Klientinnen geht, die finanzielle Unterstützung in ihrem Prozess benötigen. Lasst uns zusammen eine zentrale feministische Vernetzungsstruktur aufbauen, sodass keine Frau mit den Kosten patriarchaler Gewalt alleine bleibt. Bei Interesse, in unsere interne Anwaltskartei aufgenommen zu werden, freuen wir uns sehr über eine E-Mail.
Informationen und Kontakt unter: https://lilahilfe.org/

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Ausgabe 3

Inhalt

Ausgabe 3/2024

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Ute Sacksofsky

Legalisierung der Eizellspende – ein feministisches Statement (dagegen)

Über Jahrzehnte wurden der reproduktiven Selbstbestimmung und der Fortpflanzungsmedizin kaum rechtspolitische Aufmerksamkeit gewidmet. Der überwiegende Teil der Gesellschaft schien sich mit den Regelungen abgefunden zu haben: Der Schwangerschaftsabbruch gilt als rechtswidrig, ist aber unter gewissen Bedingungen straffrei; Eizellspende und Leihmutterschaft sind ausnahmslos verboten. Aktuell scheint aber Bewegung in die politische Diskussion zu kommen. Die Bundesregierung hat – wie im Koalitionsvertrag festgelegt1 – eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft geprüft hat.

Preis: 3.00 EUR

Aus dem Archiv

Malin Bode: Kongreß Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik (April 1985)

Vom 19.04.–21.04.1985 in Bonn
(Auszug aus STREIT 2/1985, S. 66 f.)

Der im letzten Heft angekündigte Kongress gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik in Bonn sprach weit über 1000 Teilnehmerinnen an, die auch zahlreich aus dem Ausland erschienen waren. Leihmütter – künstliche Befruchtung – Befruchtung außerhalb des Körpers – Retortenbabys … sind die in der Öffentlichkeit bekannten Schlagworte zu diesem Thema. (…) Rechtsgeschichtlich hat sich von der Hexenverfolgung bis zum heutigen Tage eine Entwicklung vollzogen, die eine zunehmende Kontrolle über die menschliche Reproduktionsfähigkeit von Frauen zum Gegenstand hatte. Hierzu gehört die Verdrängung von Frauen aus der Geburtshilfe und Heilkunde.

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Chrysanthi Fouloglidou

Mutterschutz für Selbständige – Aktuelles und Erfreuliches

Zugegeben, die Überschrift scheint eine Farce zu sein, schließlich ist der Mutterschutz für Selbständige eins ganz sicher: nicht existent. Wie das sein kann, ist einfach zu erklären: die Schwangerschaft ist nach wie vor ein gesundheitliches und wirtschaftliches Risiko. Selbständige haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit, da diese nur für Arbeitnehmerinnen gilt. Da hilft auch nicht die flexible Arbeits(zeit-)gestaltung, die der ein oder andere anführt. Bei schlechter finanzieller Ausgangsituation hilft auch die flexible Zeiteinteilung nichts.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Bundestag – Wissenschaftlicher Dienst

Mutterschaftsleistungen für Selbständige – Regelungen in ausgewählten europäischen Ländern

1. Einleitung
Selbständig tätige Frauen müssen sich im Falle einer Schwangerschaft einer besonderen zusätzlichen Herausforderung stellen: Sie sind nicht in einem Beschäftigungsverhältnis eingegliedert und haben damit keinen Arbeitgeber, dem eine vertragliche Fürsorgeverpflichtung gegenüber der schwangeren oder stillenden Frau zukommt. Insbesondere vor diesem Hintergrund haben sich die Mitgliedstaaten der EU im Jahr 2010 in einer EU-Richtlinie darauf verständigt, dass auch Frauen mit selbständiger Erwerbstätigkeit Mutterschaftsleistungen zukommen müssten.2 So bestimmt Art. 8 der Richtlinie 2010/41/EU: „Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass selbständig erwerbstätige Frauen sowie Ehepartnerinnen und Lebenspartnerinnen gemäß Artikel 2 im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht ausreichende Mutterschaftsleistungen erhalten können, die eine Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während mindestens 14 Wochen ermöglichen.“

Preis: 3.00 EUR

Institut für Demoskopie Allensbach

Mutterschutz für Selbständige – Repräsentative Befragung selbständig tätiger Frauen und Männer im Auftrag des BMFSFJ. Untersuchungsbericht (Februar–März 2024) (Auszug)

Kernergebnisse
Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend befragte das Institut für Demoskopie Allensbach im Frühjahr 2024 beruflich selbständige Frauen und Männer zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zum Mutterschutz für Selbständige. Weibliche Soloselbständige wurden mündlich-persönlich befragt, männliche und weibliche Selbständige mit Beschäftigten ausschließlich online. • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt für die große Mehrheit der Selbständigen ein Problem dar. 75 % der befragten Frauen und 81 % der befragten Männer finden es insbesondere für selbständige Mütter – im Vergleich zu angestellten Müttern – eher oder sehr schwer, zu einer guten Vereinbarkeit zu kommen. Noch etwas häufiger als die langen Arbeitszeiten und der hohe Druck wirkt dabei belastend, dass die Arbeit in bestimmten Situationen einfach liegen bleibt, etwa wenn Kinder krank sind.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des BSG

Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung

1. Die Auffangregelung in § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI, wonach die Erziehungszeit im Zweifel der Mutter zugeordnet wird, verletzt nicht die gleichheitsrechtlichen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 GG. 2. Mit der Auffangregelung werden Nachteile ausgeglichen, die infolge der Erziehungsleistung beim Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen und die Frauen weiterhin deutlich häufiger betreffen als Männer. Die mit der Ausgestaltung der Auffangregelung verbundene Bevorzugung von Frauen ist ein legitimer Ausgleich für die Versorgungsnachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung, die für sie typischerweise infolge der Mutterschaft immer noch eintreten. Bei den Vätern hat die Geburt eines Kindes hingegen nach wie vor kaum Einfluss auf das Erwerbsverhalten.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des BSG vom 18.04.2024, B 5 R 10/23 R

Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und weiteren Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Preis: 3.00 EUR

Sibylla Flügge

Historische Wurzeln des Antifeminismus – intersektionell. Eine Spurensuche

Einleitung
Wir leben in einer Zeit, in der Frauen weltweit und erfolgreich für ihre Menschenrechte kämpfen. Zugleich formieren sich ebenfalls weltweit antifeministische Bewegungen, die sich nicht nur gegen Frauen, sondern allgemeiner gegen Menschenrechte wenden. „In Zukunft ist jede Analyse, jede Kritik und jede Politik unterkomplex, die konzeptionell hinter diese Einsicht in Rassismus, Faschismus, Imperialismus, Patriarchat und Kapitalismus zurückfällt. Nur zusammen und in gemeinsamer Anstrengung können sie langfristig überwunden werden.“1 Aufbauend auf meinen bisherigen Forschungen zu den Wurzeln und Entwicklungslinien der Frauendiskriminierung im Recht2 werde ich im Folgenden versuchen, in der Geschichte gemeinsame Wurzeln und gemeinsame Strukturmerkmale zu finden,3 die die verschiedenen Diskriminierungen prägen, die heute durch Diskriminierungsverbote adressiert werden.

Preis: 3.00 EUR

Bettina Heiderhoff

Männer- statt Minderjährigenschutz. Das neue Gesetz zur Minderjährigenehe

Wie man mit Minderjährigenehen umgehen soll, die im Ausland nach dem Heimatrecht der Ehegatten wirksam geschlossen wurden, sorgt seit Jahren für Diskussionen. Seit 2017 sind sie in Deutschland unwirksam, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 16 Jahre alt war (Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB). Das soll die Ächtung von Minderjährigenehen zum Ausdruck bringen, führt aber zu erheblichen Problemen für die betroffenen Minderjährigen. Denn ihnen wird auf diese Weise der Schutz des Eherechts vorenthalten. Auch das nun beschlossene „Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen“1 hat zwar einen neuen, wohlklingenden Namen, aber es hilft den Minderjährigen kaum.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Juristinnenbund

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft (Auszug)

I. Gesamtwürdigung: Der Referentenentwurf ist abzulehnen

Der djb kritisiert den vorgelegten Referentenentwurf aus verfassungsrechtlicher und familienrechtlicher Perspektive und lehnt ihn deshalb ab. Der Entwurf bringt ein nicht gerechtfertigtes Misstrauen gegenüber allen Familien zum Ausdruck, in denen zwischen der Mutter und dem Anerkennenden ein vom Referentenentwurf sogenanntes „Aufenthaltsrechtsgefälle“ besteht und beide nicht verheiratet sind. Sie werden pauschal der Zustimmungspflicht der Ausländerbehörde zur Vaterschaftsanerkennung unterworfen. Sie sind jedoch keine Familien „zweiter Klasse“ und können sich insbesondere auch auf den Schutz des Art. 6 GG und das Willkürverbot berufen.

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Urteil des EuGH

Grundsatzentscheidung EuGH: Frauen mit sog. westlichen Werten bilden soziale Gruppe

1. Art. 10 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 sind dahin auszulegen, dass Mädchen und Frauen wegen ihrer Identifizierung mit dem Grundwert der Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu der es im Zuge ihres Aufenthalts in einem Mitgliedstaat gekommen ist, als einer „bestimmten sozialen Gruppe“ zugehörig angesehen werden können, im Sinne eines „Verfolgungsgrundes“, der zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen kann. 2. Aus Art. 24 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt sich, dass im Asylverfahren das Wohl der minderjährigen antragstellenden Person in einer individuellen Prüfung konkret bestimmt werden muss.
(Leitsätze der Redaktion)
EuGH (Große Kammer) Urteil vom 11.06.2024 – C-646/21 – K. und L. gg. Niederlande

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Hannover

Asylfolgeantrag wegen westlicher Prägung junger Irakerin zulässig

Soweit Frauen/Mädchen im Nachgang zu einer (teilweise) ablehnenden Asylentscheidung substantiiert vortragen, nach Erlass dieser Entscheidung einen „westlichen Lebensstil“ im Sinne eines freiheitlichen und emanzipierten Denkens und Handelns angenommen und verinnerlicht zu haben, ist die Ablehnung eines Asylfolgeantrages als unzulässig rechtswidrig.
(amtlicher Leitsatz)
Urteil des VG Hannover vom 11.10.2023, Az. 3 A 3158/23

Aus dem Sachverhalt:
Die 18-jährige Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Asylfolgeantrages als unzulässig. Die aus dem Shingal (Irak) stammende Klägerin reiste 2016 […] ein und stellte einen Asylantrag. Die Beklagte stellte daraufhin […] das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG im Hinblick auf die Republik Irak fest, lehnte den Antrag jedoch im Übrigen (bestandskräftig) ab.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Köln mit Anmerkung

Subsidiärer Schutz wegen drohender Trennung von den Kindern – Tschetschenien

1. Geschiedenen Frauen in Tschetschenien droht die dauerhafte Trennung von den aus der Ehe hervorgegangenen gemeinsamen Kindern. Dem Gewohnheitsrecht (Adat) und der Scharia sowie den traditionellen Moralvorstellungen wohnt der Grundsatze inne, dass die Kinder im „Eigentum“ des Vaters stehen. Anderslautende Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt. 2. Für Mütter, die sich von dem Vater ihrer Kinder wegen häuslicher Gewalt getrennt haben und die weiter mit ihren Kindern zusammenwohnen möchten, gibt es in der russischen Föderation keine innerstaatliche Fluchtalternative, da der Vater der Kinder aufgrund seiner Auskunftsrechte den Aufenthaltsort im ganzen Land ausfindig machen kann.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des VG Köln vom 24.10.2023, Az. 6 K 177/19.A

Preis: 3.00 EUR

Hinweis

Gleichstellungsforum 2025. Berufliche Weiterbildung in der digitalen Transformation

In der digitalen Transformation ist die berufliche Weiterbildung ein bedeutendes Thema. Insbesondere für Frauen sind betriebliche Weiterbildungen von großer Bedeutung, da sie auf dem Arbeitsmarkt mit Blick auf Aufstiegschancen und Vergütung nach wie vor benachteiligt sind. Um sich weiterbilden zu können, brauchen Beschäftigte ausreichend Zeit. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte mit Sorgeverpflichtungen und damit vor allem für Frauen, die auch bei der betrieblichen Weiterbildung oft benachteiligt werden. Es mangelt an Initiativrechten auf betrieblicher Ebene und die Probleme werden durch eine schwer überschaubare Rechtslage – auch hinsichtlich der Fördermöglichkeiten – verstärkt.

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Buchbesprechung

Asha Hedayati: Die stille Gewalt – Wie der Staat Frauen alleinlässt

Stille Gewalt – geht von der ganzen Gesellschaft aus. Das ist eine der wichtigsten Feststellungen von Asha Hedayati in ihrem Buch „Die stille Gewalt – Wie der Staat Frauen alleinlässt“, das im September 2023 im Rowohlt-Verlag erschien. Gewalt, insbesondere Partnerschaftsgewalt, das sind nicht nur körperlich wirkende Schläge und Tritte, Haarezerren, Schubsen und Würgen. Gewalt zeigt sich auch durch finanzielle Abhängigkeit, psychische Manipulation, letztlich aber vor allem durch das Gefangensein der Partner*innen im patriarchalen System.

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Lisa Becker, Johanna Buck, Pauline Philipps, Natalie Seifert

Die Tücke steckt im System – Wir müssen umorganisieren: Ein Rückblick auf die 4. Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft 2024

Das vierte Jahr in Folge versammelten sich 66 engagierte Teilnehmer:innen aus ganz Deutschland zur Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft. Ausgerichtet wurde die Akademie dieses Mal vom 07.– 09. Juni in Marburg unter der Schirmherrschaft von Prof ’in Dr’in Stefanie Bock. Unter dem Motto „Gesellschaft feministisch (um)organisieren: Vom Völkerrecht bis ins Private“ wurden nicht nur zentrale Fragen der feministischen Rechtswissenschaft diskutiert, sondern auch neue Wege der Vernetzung und des Austauschs beschritten. Insbesondere wurde die Sommerakademie erstmals von dem im letzten Jahr gegründeten „Verein Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft e.V.“ unterstützt. Dieser wird in Zukunft eine zentrale Rolle dabei spielen, die Sommerakademie als festen Bestandteil des feministischen Diskurses zu etablieren und deren Weiterentwicklung nachhaltig zu fördern.

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Die Redaktion gratuliert

Lucy Chebout wurde zur Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof gewählt / Prof. Dr. Heide Pfarr erhält den Berliner Frauenpreis 2024

Am 4.7.2024 haben die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses die Rechtsanwältin Lucy Chebout zur Richterin am Berliner Verfassungsgerichtshof gewählt. Sie wird diese Tätigkeit für sieben Jahre ausüben. Lucy Chebout ist Fachanwältin für Familienrecht, seit 2018 als Rechtsanwältin bei der Kanzlei Raue in Berlin tätig und ist seit 2023 Vizepräsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Sie hat Rechtswissenschaften, Gender Studies und Islamwissenschaften studiert und ihr Referendariat am Brandenburgischen Oberlandesgericht absolviert.

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Editorial 3/2024

„Eizellgaben und Mietmutterschaften“ war ein Forum beim 48. Feministischen Juristinnentag in Berlin überschrieben. Diskutiert wurde vorrangig die Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen Eizellgaben legalisiert werden sollten. Ute Sacksofsky, die Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ war, äußerte sich kritisch zu dem Vorhaben, Eizellgaben (und erst recht Mietmutterschaften) zu legalisieren. Dies begründet sie ausführlich in diesem Heft. Ein Blick in STREIT aus dem Jahr 1985 – hier in der Rubrik „Aus dem Archiv“ dokumentiert – zeigt, wie lange uns das Thema schon beschäftigt.

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Ausgabe 4

Inhalt

Ausgabe 4/2024

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Editorial

„Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten.“ – Olympe de Gouges, 1791; „Männer und Frauen sind gleichberechtigt … bedeutet eine Weltenwende.“ – Elisabeth Selbert, 1949. Diese Worte gehören zu den Zitaten einer Performance mit dem Titel „Rebellion der Worte“. Sie war Auftakt zum 48. FJT 2024 in Berlin und wurde dargeboten von der Professur Öffentliches Recht und Geschlechterstudien Susanne Baer an der HU Berlin. Wir dokumentieren sie in diesem Heft und in den beiden folgenden.

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Rebellion der Worte. Ein Auftakt zum 48. Feministischen Juristinnen*tag am 12. Mai 2024 in Berlin

Vorgemurmel

„Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten.“
Olympe de Gouges, Artikel 1 der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, 1791

„Dem Reich der Freiheit werb ich Bürgerinnen!“
Louise Otto, „Frauen-Zeitung“ 1849

„Lieber wollen wir fliegen als kriechen.“
Louise Otto, „Frauen-Zeitung“ 1849

„Ain’t I a Woman?“
Sojourner Truth, 1851

„Menschenrechte haben kein Geschlecht.“
Hedwig Dohm 1831–1919

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Victoria Heßeler, Hanna Müller, Catalina Körner

„I had a flashback of something that never existed.“ Die zweifelhafte Praxis der Glaubhaftigkeitsbegutachtung in strafrechtlichen und opferentschädigungsrechtlichen Verfahren

Gerichtsverfahren im strafrechtlichen und sozialrechtlichen Kontext greifen immer häufiger auf die Methode der Glaubhaftigkeitsbegutachtung zurück, insbesondere wenn eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorliegt. Dabei wird rechtlich wenig bis gar nicht auf die unterschiedlichen prozessoralen Regeln der verschiedenen Gerichtsbarkeiten geachtet. Die Begutachtung stellt außerdem nicht nur eine außerordentliche Belastung für Betroffene von Gewalterfahrungen dar, es liegt durch die aktuelle Praxis der Begutachtung auch die Frage nahe, ob Opfern von Gewalttaten in angemessener, namentlich einer ihren Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten entsprechenden Weise, rechtliches Gehör gewährt wird (Art. 103 GG). Zudem ist die Aussagepsychologie aufgrund nicht quantifizierbarer Gütekriterien und wissenschaftstheoretischer Mängel umstritten. Sie kommt überwiegend im deutschsprachigen Raum zum Einsatz.

Preis: 3.00 EUR

Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)

Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von gewaltbetroffenen Personen im familiengerichtlichen Verfahren (Auszug)

Der im Juli 2024 veröffentlichte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums verfolgt das Ziel, den Schutz gewaltbetroffener Personen und deren Kinder in familiengerichtlichen Verfahren zu verbessern. Durch die Einführung eines Wahlgerichtsstands für Kindschafts-, Abstammungs- und Kindesunterhaltssachen soll eine bessere Geheimhaltung des aktuellen Aufenthaltsorts eines von Partnerschaftsgewalt betroffenen Elternteils ermöglicht werden. Zudem werden in Kindschaftssachen die Amtsermittlungspflichten des Gerichts konkretisiert, um zu verdeutlichen, dass bei Anhaltspunkten für das Vorliegen von Partnerschaftsgewalt auch Ermittlungen zum Schutzbedarf und zum Gefahrenmanagement im familiengerichtlichen Verfahren erforderlich sind. Ferner wird klargestellt, dass das Gericht in diesen Fällen nicht auf Einvernehmen hinwirken, keine gemeinsamen Informations- und Beratungsgespräche anordnen und die Eltern getrennt anhören soll.

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bff: Frauen gegen Gewalt e.V.

Strafermittlungen wegen sexueller Gewalt an Frauen mit Behinderungen werden zu häufig eingestellt

Die 28-jährige Berlinerin Sonja M. (der Name wurde geändert) hat eine Verfassungsbeschwerde gewonnen, die sie 2022 vertreten durch Professorin Dr. Theresia Degener und die Rechtsanwält*innen Ronska Grimm und Lea Beckmann beim Landesverfassungsgerichtshof Berlin eingereicht hatte. Sie erstattete 2020 Anzeige und sagte aus, dass sie von ihrem Vorgesetzten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sexuell belästigt wurde. Die Berliner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen den Beschuldigten ein, weil Sonja M. wegen einer kognitiven Beeinträchtigung angeblich nicht fähig sei, eine Aussage zu machen. Gegen diese Entscheidung wehrt sie sich vor Gericht und wird dabei durch Frauen- und Behindertenrechtsorganisationen begleitet.

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Beschluss des VerfGH Berlin

Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz durch überspannte Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 S. 1 StPO

1. Von der Rechtsordnung eröffnete Rechtsmittel dürfen nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv gemacht und so der sachlichen Prüfung entzogen werden.
2. Im Verlauf des Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Verfassung von Berlin (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 und Art. 10 und 11 VvB) i. V. m. Art. 13 Abs. 1 UN-Behindertenrechtskonvention besondere Verpflichtungen für die diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens und des weiteren Verfahrens ergeben.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des Verfassungsgerichtshofs Berlin vom 19.06.2024 – 80/22

Aus den Gründen
(1) Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Berlin, einen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, mit dem die gegen die Einstellung gerichtete Beschwerde zurückgewiesen wurde, sowie gegen einen Beschluss des Kammergerichts, mit dem ein Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren als unzulässig verworfen wurde.

Preis: 3.00 EUR

Julia Zinsmeister

Diskriminierend eingestellt. Der Verfassungsgerichtshof Berlin stärkt den Zugang gewaltbetroffener behinderter Frauen zum Strafverfahren

Frauen*, die in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) arbeiten, sind dreimal häufiger von sexueller Belästigung und Diskriminierung betroffen als Frauen* in regulären Beschäftigungsverhältnissen.2 Gleichzeitig gelten sie als „sichere Opfer“, weil ihre Aussagen besonders häufig in Zweifel gezogen werden und sie auf der Suche nach Gerechtigkeit zusätzliche Hürden zu überwinden haben. In Berlin hat sich nun eine junge Frau mit sogenannter geistiger Behinderung erfolgreich dagegen gewehrt. Der Verfassungsgerichtshof Berlin (BerlVerfGH) stellte mit Beschluss vom 19. Juni 2024 fest, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihren Gruppenleiter wegen sexueller Belästigung verfassungswidrig eingestellt worden sei (Az. 80/22). Die Verfassungshüter*innen haben das Verfahren an das Kammergericht Berlin zurückverwiesen und aufgefordert, der Beschwerdeführerin einen diskriminierungsfreien Zugang zur Justiz zu sichern. Der Beschluss selbst gibt zwar kaum Aufschluss über die relevanten antidiskriminierungsrechtlichen Standards – aber Anlass, diese hier herauszuarbeiten. Denn die Wenigsten kennen die verfahrensbezogenen Bedarfe behinderter Menschen und die Nachteile, die ihnen im Strafverfahren drohen. Selbst Sachverständigen fehlt die Kenntnis.

Preis: 3.00 EUR

Mahtab Khedri

Tendenzielle Diskriminierung wirtschaftlich unterprivilegierter Frauen in der Rechtsprechung am Beispiel der Berechtigung für Grundsicherungsleistungen von sorgeberechtigten Unionsbürger*innen

Die Frage, welche der in Deutschland aufenthältigen Unionsbürger*innen berechtigt sind, existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) zu erhalten, ist fortdauernd Gegenstand sozialgerichtlicher Verfahren. Dabei unterliegen die hier besprochenen Normen, unter anderem § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/ EU i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG analog, auch wegen Art. 18 AEUV der europarechtskonformen Auslegung und wegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG der verfassungskonformen Auslegung. Anhand der derzeit uneinheitlichen Rechtsprechung der Landessozialgerichte zu einer praktisch bedeutsamen Fallkonstellation soll vorliegend gezeigt werden, dass scheinbar rein dogmatische Gesetzesauslegung praktisch Rechtspolitik betreibt.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des LAG Niedersachsen

Fristlose Kündigung eines Auszubildenden wegen sexueller Belästigung außerhalb der Arbeitszeit

1. Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Ein außerdienstliches Verhalten beeinträchtigt die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat. Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat.
2. Die einmalige sexuelle Belästigung einer Auszubildenden durch einen Auszubildenden aus dem gleichen Betrieb außerhalb der Arbeitszeit kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen.
(Amtlicher Leitsatz)
Urteil des LAG Niedersachsen vom 28.02.2024 – 2 Sa 375/23 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig, BAG – 6 AZN 293/24

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Ausbildungsverhältnisses. […] Der […] Kläger war seit dem 1. September 2020 als Auszubildender […] in dem Betrieb der Beklagten […] beschäftigt. […] Der Kläger nahm im Rahmen von Bildungsurlaub […] an einem sogenannten Jugend- 1-Seminar […] teil. Die einzige weibliche Teilnehmerin an diesem Seminar war die Zeugin K. Die Zeugin K. war wie weitere Teilnehmer des Seminars ebenfalls Auszubildende der Beklagten in deren Werk […]. Der Kläger und die Zeugin K. kannten sich vor dem Seminar nicht. […] Das weitere Geschehen ist zwischen den Parteien streitig.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des LAG Niedersachsen mit Anmerkung

Elternzeit – keine Kürzung des Urlaubsanspruchs durch Tarifklausel

1. Die Tarifnorm des § 26 Abs. 2c TVöD enthält oder ersetzt nicht die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG erforderliche Erklärung des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dem stehen die auch durch Tarifvertrag nicht abdingbaren Regelungen gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG entgegen.
2. Auch soweit der Urlaubsanspruch den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, enthält oder ersetzt § 26 Abs. 2c TVöD nicht die Kürzungserklärung des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG.
3. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
(Amtlicher Leitsatz)
Urteil des LAG Niedersachsen vom 27.02.2024, 10 Sa 586/23 (r.k.)

Anmerkung
Im Streit steht die Zahlung von Urlaubsabgeltung, nachdem das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der letzten Elternzeit einvernehmlich geruht und danach durch Auflösungsvereinbarung geendet hat. Eine explizite Kürzungserklärung gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG hat der Arbeitgeber nicht abgegeben. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin fand allerdings aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der TVöD Anwendung. Dieser enthält in § 26 Abs. 2c TVöD die Regelung, dass sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat um ein Zwölftel vermindert, während das Arbeitsverhältnis ruht.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des LSG Berlin-Brandenburg

Aufrechterhaltung des Freizügigkeitsrechts mit Zeiten schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots

§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch Zeiten eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbotes in die Berechnung der Jahresfrist einzubeziehen sind.
(Amtlicher Leitsatz)
Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.06.2024, L 25 AS 43/24

Aus dem Sachverhalt:
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis zum 31. Juli 2021.
Die […] Klägerin zu 1. und ihre Tochter, die am September 2020 geborene Klägerin zu 2., sind rumänische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1. lebt seit dem 20. Juni 2019 in Deutschland. Vom 3. Juli 2019 bis zum 2. Juli 2020 war sie als Produktionshelferin […] beschäftigt. Grundlage hierfür war ein befristeter Arbeitsvertrag, in dem eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und ein Stundenlohn von 9,20 Euro vereinbart worden waren. Unter dem 5. März 2020 sprach der Arbeitgeber nach Überprüfung des Arbeitsplatzes laut Mutterschutzgesetz (MuschG; §§ 4, 8 MuSchG) ab dem 3. April 2020 ein generelles Beschäftigungsverbot aus.

Preis: 3.00 EUR

Urteil des VG Chemnitz

Flüchtlingseigenschaft für marokkanische junge Frau wegen häuslicher Gewalt und drohender Zwangsverheiratung

1. Frauen müssen insgesamt als einer sozialen Gruppe im Sinne der Richtlinie 2011/95 zugehörig angesehen werden, wenn sie aufgrund ihres Geschlechts häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.
2. Alleinstehenden Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, steht in Marokko kein zumutbarer staatlicher Schutz zur Verfügung.
(Leitsätze der Redaktion)
Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 08.02.2024, Az.: 4 K 1371/20.A

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine 1997 geborene marokkanische Staatsangehörige und reiste 2020 in die Bundesrepublik ein, wo sie einen Asylantrag stellte, welchen das Bundesamt vollumfänglich ablehnte. Sie trug vor, ihr Heimatland verlassen zu haben, da sie sich von ihrem Vater und ihren Stiefmüttern und Halbgeschwistern schlecht behandelt fühlte.
Ihr Vater habe sie mit einem älteren Mann verheiraten wollen und ihr sei es teilweise verboten worden zur Schule zu gehen. Er habe sie geschlagen und ins Zimmer gesperrt und von ihr verlangt, einen Hijab zu tragen. Von ihren vier Stiefmüttern sei sie wie ein Dienstmädchen behandelt und auch geschlagen worden. Ihre leibliche Mutter befände sich bereits seit 2013 in Deutschland. Eine gemeinsame Ausreise habe der Vater damals verboten. Die Klägerin befürchtet bei einer Rückkehr, dass sich der Vater aufgrund ihrer unautorisierten Ausreise an ihr rächen werde.

Preis: 3.00 EUR

Deutscher Juristinnenbund

Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Zweites Jahressteuergesetz (St24-25 vom 17.07.2024)

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 10. Juli 2024 den Entwurf für ein zweites Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024 II) vorgelegt. Der Entwurf sieht u. a. Anhebungen beim Grundfreibetrag, Kinderfreibetrag und Kindergeld, Verschiebungen der Eckwerte des Einkommensteuertarifs sowie die Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag vor. Weiterhin sollen die Steuerklassen III/V bis Ende 2029 in das Faktorverfahren überführt werden. Schließlich enthält der Entwurf Regelungen zur Gemeinnützigkeit bei tagespolitischen Aktivitäten.
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt die Gelegenheit zur Stellungnahme. Allerdings ist die Frist von nicht einmal einer Woche, noch dazu während der Zeit der Schulferien, für ehrenamtlich arbeitende Vereine kaum zu realisieren. Mit diesem Vorgehen schränkt das BMF die demokratische Teilhabe insbesondere auch von Frauen ein, die bei Themen wie der Steuerpolitik ohnehin unterrepräsentiert sind. Die Stellungnahme konzentriert sich auf gleichstellungsrechtlich wesentliche Vorhaben und Lücken des Entwurfs.

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Verbände formulieren Ziele für die geplante Familienrechtsreform! Appell vom 24.10.2024

Im Vorfeld der für den 25. Oktober 2024 einberufenen Besprechung des Justizministeriums mit den Landesjustizverwaltungen zum Familienrechtspaket von Bundesminister Buschmann rufen 10 Verbände dazu auf, bei der geplanten Reform Änderungen vorzunehmen.
Gemeinsam haben die Verbände Punkte identifiziert, die sie über ihre einzelverbandlichen Schwerpunkte hinaus verbinden. Sie konzentrieren sich hierbei auf die Reformen im Kindschafts- und Unterhaltsrecht.
Wir appellieren nachdrücklich an Bund und Länder:
Setzen Sie sich für eine Reform ein, die
• den Gewaltschutz nicht nur gesetzlich im Sorgerecht verankert, sondern auch im Umgangsrecht. „Im Falle von häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt muss vermutet werden, dass der Umgang mit dem gewaltausübenden Elternteil in der Regel nicht dem Kindeswohl dient. Von gewaltbetroffenen Elternteilen kann nicht verlangt werden, ihre Schutzinteressen zu gefährden, um die Wohlverhaltenspflicht zu erfüllen“, so die Verbände.

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Ute Stöcklein

Buchbesprechung: Christina Clemm: Gegen Frauenhass

Nach ihrem erfolgreichen Buch „AktenEinsicht“ (2020) (Buchbesprechung in STREIT 2/2023, S. 93) hat Christina Clemm, feministische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin aus Berlin, mit dieser kämpferischen Streitschrift zügig nachgelegt. Sie dokumentiert den omnipräsenten Hass, der sich gegen Frauen – weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung – richtet. Unter der Bezeichnung „Frauen“ versteht Clemm dabei Frauen „nicht im zweigeschlechtlichen Sinn, sondern alle weiblich gelesenen Personen“. Sie schließt „cis Frauen, trans Frauen, inter und sich selbst als non-binär verstehende Personen ein“. Gleich eingangs schreibt sie „in diesem Buch soll vor allem der unbändige Hass auf Frauen im Zentrum stehen – wie er wirkt, wen er trifft, welche Formen er annimmt und weshalb nicht ernsthaft etwas gegen ihn getan wird“ (S. 11).

Anhand eines fiktiven Musterfalles schildert Clemm die Eskalationsspirale bei häuslicher Gewalt bis hin zum Femizid. An Fällen aus ihrer anwaltlichen – familienrechtlichen und strafrechtlichen – Praxis analysiert und beschreibt sie die Erscheinungsformen von Frauenhass in allen Bereichen der Gesellschaft. Sie verbindet die Schilderung von Einzelfällen mit der Analyse der Gesellschaft und zeigt auf, wie tief und umfassend misogynes Denken und Handeln in der bürgerlichen Gesellschaft verwurzelt sind.

Preis: 3.00 EUR

Literaturhinweise

AK Frauengesundheit (Hg.): Ungewollte Kinderlosigkeit – vom Mythos der grenzenlosen Machbarkeit und den Schattenseiten der Reproduktionsmedizin, Fachtag vom 03.11.2023 in Berlin, unter: www.arbeitskreis-frauengesundheit.de

Bertram, Alice: Zeit als Ressource im Recht, Baden-Baden, 2024

Brüning, Lisa / Stüwe, Taleo / Weise, Susanne: Schwangerschaftsabbrüche neu denken: Eine historische Chance für Reproduktive Gerechtigkeit, Policy Paper, Heinrich-Böll-Stiftung mit PRiNa – Politiken der Reproduktion, Nachwuchsforscher*innennetzwerk (Hg.), September 2024. www.boell.de

Degen, Barbara / Keßler, Marion / Melter, Claus: Ermordet in Bethel, Neue Forschungen zur Säuglingssterblichkeit und Hirnforschung mit einem Vorwort von Margret Hamm, Weinheim 2024

Deutsches Institut für Menschenrechte (Hg.): Bericht über die Datenlage zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Deutschland – Grundlagen für ein Umsetzungsmonitoring zur Istanbul-Konvention, Berlin August 2023, www.dimr.de

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Hinweise

Reform des Abstammungsrechts / Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs / Vorankündigung für den 49. Feministischen Juristinnen*tag

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