Das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen ist zum 1.7.2001 in Kraft getreten. Es ist das erste Bundesgesetz, das behinderte und von Behinderung "bedrohte" Mädchen und Frauen ausdrücklich als eigene Zielgruppe benennt und ihre Gleichstellung in § 1 S.2 SGB IX zu einer der zentralen Zielsetzungen der Rehabilitation erklärt. Mehrere Teilregelungen verpflichten die Rehabilitationsleistungsträger, im Bedarfsfall durch differenzierte Leistungsgewährung Rücksicht auf behinderungs- wie geschlechtstypische Belastungssituationen zu nehmen und räumen den politischen Interessenvertretungen behinderter Frauen spezifische Beteiligungsrechte bei der Umsetzung des Gesetzes ein.
Ausgehend von der konkreten Lebensrealität und bisherigen Rechtssituation behinderter Frauen sollen nachfolgend die frauenpolitischen Gleichstellungsinstrumente im SGB IX vorgestellt und eine erste Bewertung vorgenommen werden.
Im Zusammenhang mit der Neufassung des Sexualstrafrechts durch das 33. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1.Juli 1997 forderte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages die Bundesregierung auf, nach Ablauf von drei Jahren zu berichten, "inwieweit § 179 StGB nach der Neufassung des § 177 StGB noch einen Anwendungsbereich in der gerichtlichen Praxis findet".
Aufgrund dieses Beschlusses hat das Bundesministerium der Justiz die Justizverwaltungen aufgefordert, "es über alle Vorgänge, insbesondere strafgerichtliche Entscheidungen, zu unterrichten, die das Verhältnis § 177 und § 179 StGB betreffen". In der Folge dieser Anfrage wurden dem Bundesjustizministerium 15 gerichtliche Entscheidungen zur Verfügung gestellt, die als sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen bewertet wurden. (... )
I. BGH, § 177 I und II StGB
Aufhebung eines freisprechenden Urteils des LG Köln wegen fehlerhafter Beweiswürdigung, auf die Revision der Nebenklägerin, und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des LG Köln.
Urteil des BGH vom 06. Dezember 2000, 2 StR 372/00
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zum Ausgleich für den sexuellen Mißbrauch vom Herbst 1990 bis Ende 1994 ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 DM zu zahlten.
2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem sexuellen Mißbrauch des Beklagten an der Klägerin resultieren, zu bezahlen, soweit sie nicht au fSozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Versäumnisurteil des LG Münster vom 5.2.01-11 0 373/00-
1. Trotz strafrechtlicher Verurteilung des Täters führt ein hohes Maß an Verschulden zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes
2. Das Verhalten des Täters nach der Tat führt ebenfalls zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes
Urteil LG Lüneburg v. 9.3.2001 - 8 S 127/00-
Zum Sachverhalt:
Unstreitig ist die Klägerin von dem Beklagten am 21.1.1996 mit einem schweren Holzknüppel mehrfach geschlagen worden. Die Klägerin befand sich für 10 Tage im Krankenhaus, bis zum 3.3.1996 wurde sie zu 100 % arbeitsunfähig geschrieben. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten folgt auch, dass die Klägerin in der Folgezeit weiter an Schwindelattacken und rezidivierenden Kopfschmerzen gelitten hat. Es treten die psychischen Folgen der Tat hinzu.
Die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten eines gewalttätigen Ehemannes wäre grob unbillig.
Beschluß des OLG Ffm vom 25.10.01 - 4 UF 21/01 -
Preis: 1.50 EUR
Urteil des OVG NRW
Sozialhilfe - Kostenübernahme für einen Frauenhausaufenthalt
Auf die Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in einem Frauenhaus kann bei einem durch Fehlleistungen des Verstandes und des Gemütes der Betroffenen geprägten Trennungskonflikt ein sozialhilferechtlicher Anspruch nach § 27 Abs .1 Nr. 11, § 72 BSHG bestehen.
Urt. des OVG NW vom 20.3.00 - 16 A 3189/99
Aus den Gründen:
Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass der Beklagte die Kosten ihres Aufenthalts im Frauenhaus [...] übernimmt. Anspruchsgrundlage ist hier unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls § 72 BSHG als spezielle Art der Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 11 BSHG.
Bestehen bereits erhebliche Probleme bei den Umgangskontakten des Vaters mit dem Kind und muß eine Vater-Kind-Beziehung erst aufgebaut werden, so würde die zusätzliche Anordnung eines Umgangsrechts für die Großeltern das Kind überfordern.
Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bochum v. 29.6.00 - 60 FF 20/00
Aus den Gründen:
Die Antragsteller sind die Großeltern väterlicherseits der am 3.8.1996 nichtehelich geborenen A. Die Kindeseltern trennten sich bereits vor der Geburt des Kindes. zwischen ihnen kam es im Rahmen der Trennung zu erheblichen Zerwürfnissen, die bis heute nicht beigelegt sind. Mit Beschluß des Amtsgerichts Bochum wurde dem Kindesvater ein begleiteter Umgang mit dem Kind eingeräumt. In dem laufenden Verfahren begehrt der Kindesvater eine Erweiterung dieses Umgangsrechts.
Keine Verpflichtung zur Rückzahlung des Prozeßkostenvorschusses
AG Bremen, Urteil vom 16.07.2001, 61 F 243/01, rkr.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger fordert von der Beklagten einen Prozeßkostenvorschuss zurück, den er ihr aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts S. hatte zahlen müssen. Die Beklagte hatte den Vorschuss vom Kläger angefordert, um damit im Scheidungsverbundverfahren ihre Zugewinnausgleichsansprüche gegen den Kläger des vorliegenden Verfahrens geltend machen zu können. Nachdem das Amtsgericht S. der Beklagten einen Betrag von 75.396,81 DM zugesprochen hatte, einigten sich die Parteien im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht darauf, dass der Kläger der Beklagten zur Abgeltung ihrer Zugewinnausgleichsforderung 60.000,00 DM zu zahlen hat, und zwar in monatlichen Raten von 1.000,00 DM, beginnend mit Dezember 1999. Die Kosten beider Verfahren wurden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert für die Folgesache Sorgerecht wird auf 3000,00 DM festgesetzt.
Beschluß des OLG Hamm vom 20.3.2001- 2 WF 83/01-
Aus der Streitwertbeschwerde:
Da es sich um nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten handelt, ist der Wert gem. § 12 Abs. 2 S. 1 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Bei der elterlichen Sorge hat das Gericht den Regelstreitwert gem. § 12 Abs. 2 S. 3 GKG angesetzt. Unseres Erachtens ist dieser Wert jedoch in Anbetracht des Umfangs und der Bedeutung der Sache zu erhöhen. Vorliegend waren drei Kinder betroffen. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß bezüglich der Kinder keine einheitliche Sorgerechtsentscheidung getroffen wurde, sondern unterschiedliche Sorgerechtsentscheidungen. Auch die tatsächlichen Verhältnisse bezüglich der Kinder waren verschieden, insbesondere der Aufenthalt der Kinder bei den Elternteilen. Schon von daher war der Umfang der Sachbearbeitung höher als in einer durchschnittlichen Sorgerechtsangelegenheit.
Keine Entlassung einer schwangeren Arbeitnehmerin im befristeten Arbeitsverhältnis
1. Art. 5 Abs.1 der Richtlinie 76/207/EWGdesRates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie i.S. des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG) stehen der Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft entgegen,
- wenn diese aufbestimmte Zeit eingestellt wurde,
- wenn sie den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet hat, obwohl ihr diese bei Abschluß des Arbeitsvertrags bekannt war,
- und wenn feststand, daß sie aufgrund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht würde arbeiten können.
2. Für die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 und des Art. 10 der Richtlinie 92/85 ist unerheblich, daß die Arbeitnehmerin von einem sehr großen Unternehmen eingestellt wurde, das häufig Aushilfspersonal beschäftigt.
Urteil des EuGH vom 4.10.01-Rs. C-109/00- (Brandt-Nielsen ./. Tele Danmark)
Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen bei Erneuerung befristeter Arbeitsverträge
1. Art. 10 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG) entfaltet unmittelbare Wirkung und ist dahin auszulegen, daß er, wenn ein Mitgliedstaat innerhalb der in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Frist keine Umsetzungsmaßnahmen getroffen hat, dem Einzelnen Rechte verleiht, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber den öffentlichen Stellen dieses Staates geltend machen kann.
2. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 verpflichtet mit der Zulassung von Ausnahmen vom Verbot der Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen in nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle(n), die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, die Mitgliedstaaten nicht, die Gründe für eine Kündigung dieser Arbeitnehmerinnen im Einzelnen aufzuführen.
3. Zwar gilt das Kündigungsverbot nach Art. 10 der Richtlinie 92/85 sowohl für unbefristete als auch für befristete Arbeitsverträge, doch kann die Nichterneuerung eines solchen Vertrages zum Zeitpunkt seiner regulären Beendigung nicht als eine nach dieser Vorschrift verbotene Kündigung angesehen werden. Soweit jedoch die Nichterneuerung eines befristeten Arbeitsvertrags ihren Grund in der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat, stellt sie eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, die gegen die Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen verstößt.
4. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85, wonach einer schwangeren Arbeitnehmerin, einer Wöchnerin oder einer stillenden Arbeitnehmerin in Ausnahmefällen gekündigt werden kann, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muß ist dahin auszulegen, daß er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Einschaltung einer nationalen Behörde vorzusehen, die, nachdem sie festgestellt hat, daß ein Ausnahmefall vorliegt, der die Kündigung einer solchen Arbeitnehmerin rechtfertigen kann, vor der entsprechenden Entscheidung des Arbeitgebers ihre Zustimmung erteilt.
Urteil des EuGH vom 4.10.01-Rs. C-438/99-(Jiménez Melgar ./. Ayuntamiento de los Barnos)
Aussageverhalten im Asylverfahren bei Traumatisierung
Gesteigertes Vorbringen im Asylverfahren steht der Anerkennung nicht entgegen, wenn nachvollziehbar ist, daß die Asylsuchende infolge der Traumatisierung Mißhandlung und Vergewaltigung zunächst nicht schildern konnte.
Urteil des VG Geisenkirchen vom 15.2.01-19a K3968/98.A -
1.) Bundestags-Drucksache 14/7270: Regelungen der VN zur Stärkung der Rechte der Frau und 2.) Bundesrepublik ratifizien CEDAW-Fakultativprotokoll
1.)
Frage an die Bundesregierung:
Verfügt die Bundesregierung über eine Gesamtübersicht der internationalen Menschenrechtsabkommen auf UN-Ebene und auf EU-Ebene, die die Rechte der Frauen sowohl hauptsächlich als auch mitbehandelnd zum Thema haben, und wenn ja, welcher Umsetzungsstand liegt für die verschiedenen Abkommen und deren Zusatz- und Fakultativprotokolle in Deutschland vor?
Widerruf einer Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (Pressemitteilung)
Die staatliche Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ist zu widerrufen, wenn die Beratungsstelle nicht mehr bereit ist, Beratungsbescheinigungen nach §§ 7 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG), 219 Abs. 2 S. 2 Strafgesetzbuch (StGB) auszustellen.
Feministische Theorie hat sich mittlerweile zu etwas entwickelt, das weder leicht zu haben ist noch leichtfertig übersehen werden könnte. Zum einen werden viele Texte, die aktuell Diskussionen auslösen, zumindest (aber gewiss nicht ausschließlich) von jenen, die nicht gerade hauptberuflich theoretisieren, als unzugänglich empfunden. Zum anderen verdeutlichen aber eben diese Diskussionen, dass die Texte von Bedeutung sind, und zwar auch für jene, die hauptberuflich beispielsweise Rechtsanwältinnen sind, Politik gestalten oder in der Verwaltung umsetzen.
Nun hat die berlin-brandenburgische Soziologin und feministische Theoretikerin Sabine Hark einen Band herausgegeben, mit dem sich feministische Theorie erneut erschließen lässt. In "Dis/Kontinuitäten" hat sie Texte versammelt, die feministische Theorie in Deutschland - genauer: in der Bundesrepublikausmachen oder doch maßgeblich beeinflusst haben. Der Schwerpunkt liegt bei der Soziologie, der Kulturwissenschaft und der Wissenschaftsforschung, und somit fehlen Texte aus der Rechtswissenschaft oder den Naturwissenschaften.